Die Gegenwart

F.A.Z. Essay Podcast: Hungermord

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In Zeiten des Massensterbens: Menschen gehen ihrer Wege, am Straßenrand sterben Verhungernde.

Für die sowjetischen Verbrechen der Stalinzeit ist der GULag, das Lagersystem, zum Symbol geworden. Das wohl größte einzelne sowjetische Verbrechen hat die westliche Öffentlichkeit hingegen lange ignoriert: den sogenannten Holodomor, eine Hungersnot, der allein in der Sowjetrepublik Ukraine in den Jahren 1932 und 1933 etwa 3,9 Millionen Menschen zum Opfer gefallen sind.

Die Katastrophe war nicht die Folge ungünstiger klimatischer Bedingungen, sondern menschlichen Handelns. Der in den achtziger Jahren geschaffene ukrainische Begriff „Holodomor“ für diese Hungersnot geht zurück auf die beiden ukrainischen Wörter „Holod“ (Hunger) und „Mor“ („Tod“, „Massensterben“).

Opfer des Hungertodes war vor allem die ländliche Bevölkerung in der Ukraine, darüber hinaus auch im Kuban-Gebiet im Nordkaukasus, in Kasachstan und in der Wolga-Ural-Region. Es waren also viele Ethnien in der Sowjetunion betroffen.

Wenn es auch kein Dekret gibt, mit dem der Holodomor explizit angeordnet wurde, so ist es doch zweifelsfrei, dass das sowjetische Regime und Stalin persönlich die Verantwortung für das Massensterben trugen. Ein Essay von Professor Dr. Martin Schulze Wessel.