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„Infomobil Lärmschutz“: Der Bahnlärm geht auf Reisen

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Mit dem „Infomobil Lärmschutz“ will die Bahn zeigen, wie der Krach an der Strecke in Zukunft eingedämmt wird.

Jetzt wird es laut: Mit einem enormen Schalldruckpegel von bis zu 96 Dezibel donnert ein Güterzug über den Bildschirm, in den Kopfhörern sind die Räder fast schon schmerzhaft präsent. Auf Knopfdruck wird das Geräusch deutlich leiser, denn jetzt rollen die virtuellen Güterwaggons auf Radsätzen daher, die mit sogenannter Flüsterbremse ausgestattet sind. Noch mehr nimmt der Lärm ab, wenn ein weiterer Klick auf den Touchscreen Schallschutzwände an der Strecke emporwachsen lässt.

Diese Animation im „Infomobil Lärmschutz“ der Deutschen Bahn macht den direkten Vergleich verschiedener Lärmschutzmaßnahmen am Rollmaterial und an der Infrastruktur möglich. Und das ist für die Bahn sowohl als Eisenbahnverkehrsunternehmen im Güterbereich (DB Schenker Rail) als auch in der Rolle des Netzbetreibers (DB Netz) wichtig. Denn vor allem entlang stark befahrener Güterstrecken – beispielsweise im Mittelrheintal – wächst der Protest der Anwohner gegen den Lärm der Güterzüge.

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Genau hier soll der Lastwagen-Auflieger, den die Bahn mit mehreren Partnern entwickelt hat, künftig Station machen. Denn bis zum Jahr 2020 will die Bahn den Schienenverkehrslärm um zehn Dezibel senken, was einer Halbierung in der Wahrnehmung durch das menschliche Gehör entspricht. Bisher fehlte jedoch die Möglichkeit, die Auswirkung der verschiedenen Maßnahmen bei Informationsveranstaltungen zu demonstrieren.

„Wichtig ist für uns, das im Kopfhörer ein realitätsgetreuer Geräuschpegel wiedergegeben wird“, sagt Constantin Ziegler von der Bahn. Auch deshalb habe man die Animation nicht im Internet veröffentlicht, wo jeder Nutzer die Lautstärke des Audioausgangs selbst einstellen kann, sondern mache sie nur über die Terminals im Infomobil mit fest definiertem Ausgangswert zugänglich. Was die Besucher zu hören bekommen, sind Ergebnisse von Messungen und Aufnahmen des Fraunhofer Heinrich-Hertz-Instituts (HHI).

Die Wissenschaftler haben dazu Vorbeifahrten entsprechender Züge an verschiedenen Referenzpunkten mit Tonaufzeichnungen und 180-Grad-Videoaufnahmen dokumentiert. Auf dem Bildschirm wählt der Nutzer zunächst den gewünschten Zug aus, vielleicht einen Güterzug mit klassischer Graugussbremse, einen Zug mit Flüsterbremse (beide unbeladen), einen beladenen Güterzug mit Flüsterbremse oder einen ICE. Dazu kann man die Auswirkung von Dämpfern an den Schienenstegen, niedrigen Schallschutzwänden sowie zwei, vier oder sechs Meter hohe Schutzwänden simulieren – teilweise auch Kombinationen dieser Maßnahmen.

15.000 Wagen mit leiser Bremse

Während sich die physikalische Wirkung der Schallschutzwände dem Laien leicht erschließt, verblüfft die deutliche Lärmreduzierung durch andere Bremsen an den Güterwagen. Der Grund für den leiseren Lauf der mit Flüsterbremsen (Bremssohlen der Typen K oder LL aus Verbundwerkstoffen) ausgestatteten Wagen liegt nicht im Geräusch des Bremsvorgangs selbst, sondern in dessen mechanischer Auswirkung auf die Rollfläche der Wagenräder: Graugussbremsen hinterlassen beim Verzögern auf dem glatten Stahl tiefe Rillen, die dann zu dem lauten Abrollgeräusch führen und zudem die Schienen aufrauhen.

Infografik / So funktioniert die Flüsterbremse

Solche Schäden entfallen bei neuen Wagen mit K-Bremssohlen aus Verbundwerkstoff und bei älteren Wagen, deren Bremsen mit den im Vorjahr zugelassenen LL-Sohlen nachgerüstet worden sind. Derzeit hat DB Schenker Rail rund 7700 Wagen mit K-Sohle in Betrieb, der Bestand der Wagen mit LL-Sohle soll noch 2014 die Marke von 5000 Fahrzeugen erreichen. DB Schenker will bis zum Jahr 2020 insgesamt 60.000 bestehende Güterwagen umrüsten und fast 15.000 Wagen mit leiser Bremse neu kaufen.

Im Infomobil kann der Besucher nicht nur die Auswirkung der verschiedenen Bremssohlen auf den Bahnlärm erleben, sondern diese wichtigen Hebel zur Reduzierung des Krachs an der Strecke auch haptisch erfahren. Dabei zeigt sich, dass die neuen Komposit-Sohlen nicht nur glatter sind als der historische Brocken aus Grauguss, sondern vor allem auch viel leichter.