Auto & Verkehr

Genfer Automobilsalon: Dompteur der Salonlöwen

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Normalerweise trägt er Schlips und Kragen. Doch jetzt hängt André Hefti öfter mal das Sakko zur Seite. Kurz vor der Eröffnung des Genfer Automobilsalons muss selbst der Direktor zupacken.

Er erwartet 700.000 Gäste, und seine Party dauert 11 Tage – kein Wunder, dass André Hefti gerade ein bisschen gestresst wirkt. Denn der 66 Jahre alte Schweizer ist Generaldirektor des Genfer Automobilsalons und hat noch genau zwei Tage, bis in den riesigen Hallen unter seinem kleinen Büro die erste große europäische Automesse der Saison beginnt. Rund 250 Aussteller aus 30 Ländern präsentieren dann weit über 100 Premieren, vom neuen Toyota Aygo bis zum Lamborghini Huracán, und nach 10.000 Journalisten und 25.000 Fachbesuchern stürmen Hunderttausende PS-Fans aus ganz Zentraleuropa in die Hallen des Palais d’Exposition (Palexpo) am nordöstlichen Stadtrand von Genf – da darf der Puls schon mal ein wenig höher schlagen.

Zwar gibt es für den Herrn mit dem verschmitzten Lächeln in diesen Tagen keine ruhige Minute mehr. Nicht umsonst hängt das Jackett die meiste Zeit über dem Stuhl, die Haare sind etwas wuscheliger als sonst, und das helle Hemd hat schon morgens oft dunkle Flecken. Denn ständig klingelt sein Telefon, permanent rennt jemand anderes in das Büro und diskutiert mit ihm den Hallenplan, der wie im Architekturstudio an der Wand hängt, und immer wieder schnappt er sich den Baustellenhelm und muss unten in den Hallen nach dem Rechten sehen. Doch das ist nur die Gipfeletappe einer Gebirgsexpedition, die für den Schweizer schon vor vielen Monaten begonnen hat – allerdings nicht mit Baulärm und Notfalleinsätzen auf dem Gabelstapler, sondern mit leisen Tönen und viel Verhandlungsgeschick.

Denn während die Messebauer und Architekten in Wolfsburg, Stuttgart, Tokio oder Detroit über ihren Installationen brüten, Skizzen machen und Modelle bauen, hat Hefti ein problematisches Puzzle zu lösen: Er muss die 110.000 Quadratmeter in seinen Hallen so verteilen, dass alle Aussteller zufrieden sind, dass keine Lücken bleiben und jeder genügend Platz bekommt. „Die eine Firma will hier nicht neben der anderen, dafür wollen dort zwei Marken aus einem Konzern unbedingt zusammen. Manche müssen sparen, andere kommen neu dazu – da ist die große Kunst der Diplomatie gefragt“, sagt Hefti, der bisweilen schon mal die Firmenchefs persönlich am Draht hat, wenn sich so gar keine Lösung abzeichnet. Und dann gibt es jedes Jahr ja auch noch Newcomer wie Qoros 2013 oder der Elektro-Sportwagen Quant 2014, für die Hefti irgend ein Plätzchen finden muss.

Das sind zwar oft nur kleine Firmen, und viele davon kommen nur einmal. Aber gerade die vielen Designbüros, Kleinserienhersteller und Exoten machen den Reiz des Genfer Salons aus: „Auch in dieser Hinsicht sind wir Schweizer neutral“, sagt Hefti. Ohne eigene Automobilindustrie werde niemand protegiert oder bevorteilt, und jeder ist als Gast gleich gern gesehen. „Deshalb stehen wir bei solchen Nischenfirmen besonders hoch im Kurs“, freut sich Hefti an der Vielfalt. Und noch etwas macht den Messemanager glücklich: Solche Firmen buchen in der Regel kleine Stände, mit denen er beim Puzzeln hässliche Lücken füllen kann.

Ein strenges Regiment

Wer neben wem und wie viel Fläche für die einzelnen Firmen? Solche Probleme kennen seine Kollegen bei der IAA in Frankfurt, auf der Motorshow in Detroit oder beim Pariser Salon natürlich auch. Aber kaum irgendwo lässt sich dieses Puzzle so schwer sortieren wie in Genf. Denn zum einen gibt es da diese leidige Regel, dass die Stände für den besseren Überblick der Zuschauer in der Hallenmitte nur 1,65 Meter hoch sein dürfen. Deshalb drängen alle großen Hersteller an den Rand der Hallen, weil sie dort zumindest noch eine zweite Etage für Konferenzen und Catering einziehen dürfen. Und zum anderen bietet keine andere Automesse von Weltrang so wenig Fläche wie das Palexpo in Genf. Während sich die IAA in Frankfurt in guten Jahren auf weit über 200.000 Quadratmeter ausbreitet, muss Hefti mit der Hälfte auskommen. Deshalb kann er Branchenriesen wie VW oder Mercedes nicht wie seine Kollegen in Frankfurt eine ganze Halle geben, sondern muss etwa die Niedersachsen mit 3000 Quadratmeter abspeisen. Statt einem Golf oder einer A-Klasse in fast jeder Farbe findet man in Genf deshalb auch nur, was wirklich wichtig ist.