Auto & Verkehr

Ein Elektroauto? Nein, viele!

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Nach langem Anlauf bringt Volkswagen jetzt ein Trio von Elektro- und Hybridautos auf den Markt. Impressionen mit zwei Up und einem Golf.

Jakob Neußer ist bei seiner Mannschaft beliebt. Einst erdachte er Motoren für Porsche, nun ist er als Markenvorstand für die komplette Entwicklung von Volkswagen verantwortlich. Sehr direkt und klar sei er, loben ihn die eigenen Ingenieure. Und gleichzeitig eloquent, wenn es gelte, die Interessen der Technik zu vertreten. Kurzum: einer, der das Zeug hat, und mit 53 Jahren auch das richtige Alter, einen Tages den Thron des Zeus im VW-Olymp zu besteigen.

Es darf vermutet werden, dass es keine spontane Laune ist, wenn Neußer kurzfristig in die Wolfsburger Autostadt lädt, um Journalisten verschiedene Elektroautos testen zu lassen. Mehrfach stellt er die rhetorische Frage: Was nutzen technologische Leuchttürme? Eine wohldosierte Spitze gegen den Wettbewerber aus München, der mit den i-Modellen behauptet, den „Vorsprung durch Technik“ erobert zu haben. Man selbst habe sich nicht auf ein Modell kapriziert, so Neußer, sondern biete verschiedene Autos mit alternativen Antrieben.

Dann ein Eingeständnis: „Wir wollen nicht so laut wirken.“ Einem elektrischen Up merke man von außen nichts an, er sei ein ganz normales Auto. Dafür sei er mit einem Verbrauch von 11,7 Kilowattstunden (kWh) Strom auf 100 Kilometer der Effizienzweltmeister unter den Elektroautos, und da sind die beim Laden entstehenden Verluste schon eingerechnet.

Rund 120 Kilometer Reichweite

Machen wir die Probe aufs Exempel. Steigt man von einem konventionellen Fahrzeug in den E-Up um, benötigt man keinerlei Schulung. Ist der Wahlhebel auf D gelegt, geht es sofort und vehement von dannen. 210 Newtonmeter schieben das Auto bei niedrigen Geschwindigkeiten so flott voran, wie wir es von anderen Elektrofahrzeugen gewohnt sind. Der Fahrer hat die Wahl zwischen drei Fahrmodi, wir entscheiden uns für den Mittelweg, „Eco“ genannt. Die Leistung des Antriebsmotors wird dann von 60 auf 50 kW gedrosselt, dafür bleibt die elektrische Zusatzheizung an, im „Eco Plus“-Modus würde sie der Reichweite zuliebe abgeschaltet. Kuschelig warm wird es im Innenraum dennoch nicht, dank der Sitzheizung ist es jedoch auch bei winterlichen Temperaturen auszuhalten.

Einigermaßen behutsamer Umgang mit dem Gas-, nein Fahrpedal führt dazu, dass wir nach rund 20 Kilometern mit einem Durchschnittsverbrauch von 15,8 kWh/100 km aussteigen – ein Wert, der zwar weit über der Normangabe liegt, aber rund 120 Kilometer Reichweite garantiert. Mehr fährt der durchschnittliche Up-Fahrer ohnehin nicht, obwohl, das können wir jetzt bestätigen, es sich um ein fast ganz normalen, soliden Volkswagen handelt.

Aber war da nicht noch etwas? Einsteigen und spontan auf einen Kaffee nach Paris fahren? Irgendwann müssen sich Neußers Mannen ihrer eigenen Studienzeit erinnert haben. Die Lösung wäre einfach: Ein kleiner Verbrenner müsste als Hilfsantrieb an Bord. Doch woher den Platz in einem so kleinen Auto nehmen? Man entschloss sich zu einer Herztransplantation und verpflanzte den Antrieb des Ein-Liter-Extremfahrzeugs XL1 in den Up. Als „Twin Up“ wird er auf der Tokyo Motorshow nächste Woche gezeigt. Der XL1 hatte dieses Jahr auf der Messe in Genf Premiere, er wird an Liebhaber für mehr als 110.000 Euro verkauft.

Ein Golf mit allen Tugenden

Ob Up oder XL1, ein Zweizylinder-Diesel sorgt in Kombination mit einem Elektromotor für schon sportlich zu nennende Fahrleistungen und nimmt einem jede Reichweitenangst. Abgesehen davon, dass der Kraftstoffverbrauch nach Norm im Up auf 1,1 Liter sinkt. Das sind nur zwei Zehntelliter mehr als beim XL1. Wer stutzt, tut recht daran. Denn natürlich benötigt die Fortbewegung des als Plug-in-Hybrid auf 1,2 Tonnen schweren Ups deutlich mehr Energie als der XL1. Doch nach dem von der EU standardisierten Testverfahren entscheidet jedoch vor allem die elektrische Reichweite über die offizielle Verbrauchsangabe. Und die beträgt rund 50 Kilometer, etwas mehr als die durchschnittliche deutsche Tagesfahrleistung. Bei aller Faszination: Der Diesel ist ein arg rauher und lauter Geselle. Selbst wenn man in Rechnung stellt, dass es sich noch um eine Art Prototyp handelt, wollen wir das so nicht hören.

Noch einmal umsteigen also, dieses Mal in den Golf Plug-in-Hybrid, der schon Mitte 2014 auf den Markt kommen soll. Ein Golf mit allen Tugenden, die dieses Auto ohnehin auszeichnen, und einigen serienmäßigen Extras: leises elektrisches Fahren in der Stadt. Das gute Gewissen, wenn bei voller Batterie die Verbrauchsanzeige „0,0“ anzeigt. Und ein kraftvoller Biss von rund 350 Nm, wenn bei durchgetretenem Gaspedal der 1,4-Liter-Benziner und die E-Maschine zusammenarbeiten. Und natürlich Entspannung. Denn als wir auf der Rückfahrt mit leeren Akkus in einen Stau geraten, müssen wir uns keine Sorgen um das Ankommen machen. Kurzum, für uns wäre der Golf Plug-in die erste Wahl. Für alle Fahrer? Nein, denn das Fahrzeuggewicht fällt durch den doppelten Antrieb um fast 300 Kilo höher aus als das der Basisvariante. Wer viel, weit und schnell fährt, ist mit einem Dieselmotor besser bedient. Das eine richtige Auto für alle scheint es ohnehin nicht zu geben. Nicht einmal das eine richtige Elektroauto.