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BMW Motorrad wird 90 und hört den Ruf nach einem klassischen Modell. Die Maschine mit Traditionsgeschmack ab Werk: R nineT, 14.500 Euro, von nächstem Frühjahr an beim Händler.

Schon eine ganze Weile fragte sich mancher in der Motorradwelt, warum BMW nicht mehr aus seiner Historie macht. Die hat es schließlich in sich. Das erste Fahrzeug der Bayerischen Motoren-Werke war ein Motorrad. Lange verstand sich BMW als Motorradhersteller, der auch Automobile baute, nicht umgekehrt wie heute. Technische Entwicklungen, bemerkenswerte Maschinen, illustre Gestalten finden sich en masse in der Geschichte des Unternehmens. Boxermotor und Wellenantrieb zum Hinterrad, markentypisch noch heute, hatte bereits die Ur-Bayerische, die R 32 von 1923.

Bitte, bitte ein Klassik-Modell, quengelte es. Rückbesinnung auf Vergangenes hat ja ohnehin Konjunktur, Hersteller wie Harley-Davidson und Triumph nutzen das mit ihren Retro-Motorrädern seit geraumer Zeit geschickt. BMW jedoch schaute zu, ließ sich von kreativen Tüftlern, Bastlern, Umbauspezialisten vorführen, was so alles denk- und machbar ist. Aber jetzt, wahrhaftig, kommt die BMW mit Traditionsgeschmack ab Werk: R nineT, 14.500 Euro, von nächstem Frühjahr an beim Händler.

Ist es das, was sich die Nostalgiker unter den Fans der Weißblauen gewünscht hatten? Beim Lesen des Namens haben sich die ersten schon an der Weißwurst verschluckt. Das „nineT“ soll Anspielung sein sowohl auf die neunzigjährige Geschichte der Motorradfertigung als auch auf den Designklassiker R 90 S von 1973. Eine Retro-Maschine ist sie dennoch nicht, wie BMW-Motorrad-Chef Stephan Schaller und seine Mannen hervorhoben, als sie jetzt als Höhepunkt einer 90-Jahr-Feier die nineT ins Rampenlicht stellten.

Auf „Individualisierbarkeit“ ausgelegt

Stattdessen: ein moderner Roadster für den puren Fahrspaß, von allem Unnötigen befreit und somit sehr nackt. Ein Hauch alter Schule umhüllt die Technik von heute, die nineT bildet keinen bestimmten Zeitraum ab, sondern lässt verschiedene Epochen hier und da aufblitzen. „Moderne Interpretation eines klassischen Konzepts“ nennt es Designchef Edgar Heinrich, „Retro allein finde ich zu wenig. Das ist nicht zukunftsgewandt.“ So gesehen passt der neumodische Name gut.

Mit der nineT begibt sich BMW, wie Schaller es formuliert, „in ein neues Genre“ und nimmt einen alten Bekannten mit auf den Weg. Es ist der bisher in etlichen Modellen eingesetzte Boxermotor mit 1170 Kubikzentimeter Hubraum, 110 PS (81 kW), 119 Newtonmeter Drehmoment und Luft-Öl-Kühlung. Der bewährte Bulle passt charakterlich und äußerlich besser zum Konzept als sein stärkerer Nachfolger mit Wasserkühlung, der schon in der großen GS arbeitet und nach und nach in weitere Boxermodelle überführt wird. Eine Telegabel, golden eloxiert, anstelle der von BMW gewohnten Telelever-Vorderradführung bietet ebenfalls einen klassischeren Anblick.

Die nineT steht am Ende einer Entwicklung, die 2008 mit der begeistert aufgenommenen Studie Lo Rider, später Custom Concept genannt, begann. Ein besonderes Merkmal besteht darin, dass das Serienmotorrad mit den Proportionen eines Boxers aus den Sechzigern von vornherein auf „Individualisierbarkeit“ ausgelegt ist. Den Besitzern wird es relativ einfach gemacht, ja sogar nahegelegt, das Fahrzeug nach ihrem Geschmack umzubauen. BMW selbst bietet eine Auswahl an Zubehör an, rechnet überdies damit, dass sich um die Maschine herum eine Szene entwickeln wird, dass Ausrüster und Veredler zahlreiche Komponenten anbieten werden. „Wir geben ihnen eine Plattform“, sagt Heinrich.

Hier geht’s um Emotion statt Nutzwert

BMW lockt mit unterschiedlichen Abgasanlagen und Sitzkonfigurationen, womit sich der Auftritt der 1200er deutlich verändern lässt. Ein Gitterrohr-Rahmen mit demontierbarem Heckteil spielt eine wesentliche Rolle dabei, mit seiner Hilfe schaltet der Roadster von Zweipersonen- auf Solobetrieb um, lässt sich mit einem Höcker Richtung Café Racer oder mittels hochgelegten Schalldämpfers Richtung Scrambler trimmen. Wer das Kennzeichen seitlich anbringen will, entdeckt am Hinterachsgehäuse die nötigen Aufnahmepunkte dafür. Die Bordelektrik erlaubt den einfachen Austausch von Lampen oder Blinkern.

Feine Machart, wertige Materialien sollen der Maschine „Manufaktur-Charakter“ verleihen, einzelne Komponenten werden schön herausgestellt. Zum Beispiel: stehend auf der unteren Gabelbrücke befestigter Rundscheinwerfer mit Firmen-Emblem auf der Glühlampenabdeckung- Typenschild, das wie früher an den Lenkkopf genietet ist- handgebürstete, beschichtete Seitenflächen des 18-Liter-Alutanks- Drahtspeichenräder mit schwarzen Radnaben und Felgenringen, Handrad zur Einstellung des Federbeins aus Schmiedealuminium – dergleichen hat Stil. Im Cockpit nehmen traditionelle Rundinstrumente ein offenbar unvermeidliches Bordcomputer-Display in ihre Mitte. ABS ist Serienausstattung, sonstige Elektroniksysteme wie Traktionskontrolle, Fahrmodi oder Fahrwerkseinstellung auf Knopfdruck verkneift sich BMW in diesem Fall. Gut so.

Denn hier geht’s nicht um Hinzufügen, sondern um Weglassen, um Emotion statt Nutzwert. Und, obschon an Dynamik kein Mangel herrschen dürfte, um genussvolles Fahren ohne Leistungsdruck. Zur Wahl stehende Farben: Schwarz. War früher auch so.