Die Gegenwart

Trumps Hasskampagne fiel auf fruchtbaren Boden

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Eingerahmt von Populisten: Eine Matroschka-Figur von Hillary Clinton zwischen Wladimir Putin und Donald Trump in einem Souvenirladen in Moskau

Donald Trump ist zwar ein Extremfall, aber keine Ausnahme. Die Polarisierung in Amerika wird seit Jahrzehnten gepflegt – und ist mit dem Namen Clinton verbunden. Ein Gastbeitrag.

Was immer am 8. November passiert, das Leben geht weiter.“ So lautet einer der offiziellen Tipps der „American Psychological Association“, wie man mit „Wahl-Stress“ umgehen sollte. Eine Umfrage der Vereinigung der amerikanischen Psychologen hatte ergeben, dass 52 Prozent der Amerikaner den Wahlkampf als eine sehr oder zumindest einigermaßen bedeutende Quelle von Stress für sich identifizierten. Ob Donald Trump ein besonderer Stressfaktor sei, wurde nicht erfragt. Aber dass das ganze politische System der Vereinigten Staaten derzeit einer Art Stresstest unterzogen wird, wird keiner bestreiten. Wobei die entscheidende Frage ist, ob Trump eine Art Betriebsunfall ist oder ob der Aufstieg des begnadeten Selbstvermarkters ein Symptom struktureller Probleme des politischen Systems ist – oder gar der amerikanischen Gesellschaftsentwicklung als ganzer?

Vieles spricht für letztere Einschätzung. Doch wäre es ein Fehler zu meinen, die von niemand für möglich gehaltenen Erfolge eines Trump und auch von Bernie Sanders, dem selbsternannten „demokratischen Sozialisten“, hätten endlich die Wahrheit über den Zustand der amerikanischen Gesellschaft offenbart. Es sei gemahnt an die Einsicht des größten aller Amerika-Diagnostiker, des französischen Aristokraten Alexis de Tocqueville, der in der Mitte des 19. Jahrhunderts sein enorm einflussreiches Werk über das große Experiment der „Demokratie in Amerika“ verfasste: In Amerika, so Tocqueville, bilde das politische System nicht einfach die Gesellschaft ab- vielmehr sei es so, dass bestimmte politische Institutionen mit ihrer ganz eigenen Logik – von den großen, aber kaum kohärent organisierten Parteien hin zum Jury-System – die Mentalitäten im Lande prägten.

Die Siegeszüge von Trump und Sanders haben in erster Linie damit zu tun, dass ihre politischen Angebote, die Interessen und Identitäten der Amerikaner ganz anders zu repräsentieren als der Mainstream, auf erstaunliche Resonanz stießen. Aber beide haben auch eine Vorgeschichte, die in Europa zu wenig beachtet wird.

Gerade im Endspurt des Wahlkampfes – der Kampf um die Deutung der wahrscheinlichen Niederlage Trumps ist längst entbrannt – wird von konservativen Journalisten immer wieder die These vertreten, Trump hätte die Republikanische Partei, die Grand Old Party, gekapert und für seine persönlichen Zwecke genutzt. Trump, so heißt es durchaus zu Recht, habe Dinge getan und gesagt, die bei allen früheren republikanischen Spitzenpolitikern – sogar bei Richard Nixon – schlicht undenkbar gewesen seien. Vor allem dafür, dass ein nominell konservativer Politiker de facto immer wieder zum offenen Bruch der Verfassung, dem Allerheiligsten der Amerikaner, aufrufe, gebe es keinen Präzedenzfall.

Umfragen

In der Tat ist Trump nicht so sehr Konservativer in irgendeinem philosophisch gehaltvollen Sinne. Er ist ein Populist. Populisten erheben stets einen moralischen Alleinvertretungsanspruch: Sie und nur sie, so behaupten sie, verträten das wahre Volk. Alle anderen Bewerber um die Macht seien letztlich illegitim. Es geht für sie in der Politik nicht um die inhaltliche Auseinandersetzung über mögliche Zielsetzungen für ein Land. Statt dessen ist für den Populisten immer alles sofort eine Charakterfrage. Trump hat dieses Manöver so brutal wie niemand vor ihm durchexerziert: Hillary Clinton, so behauptete er während der Debatten vor einem globalen Publikum, sei korrupt und gehöre ins Gefängnis.