Ausland

Gesundheitsminister tritt ab: Er wollte nicht Bolsonaros Erfüllungsgehilfe sein

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Eine Frau bekommt in einem Slum von São Paulo von einer Hilfsorganisation ein Paket mit Nahrungsmitteln.

Nelson Teich war wohl nicht bewusst, worauf er sich einließ, als er sich Mitte April Präsident Jair Bolsonaro als Gesundheitsminister zur Verfügung stellte. Nur vier Wochen waren seit seiner Einsetzung vergangen, als er am vergangenen Freitag sein Amt wieder niederlegte. Teich war als Ersatz für den von Bolsonaro entlassenen Gesundheitsminister Luiz Henrique Mandetta nominiert worden, der sich mit dem Präsidenten nicht einig war über Maßnahmen der sozialen Distanzierung. Nun hat sich mit Teich der zweite Gesundheitsminister aus der Regierung verabschiedet. Mitten in einer der größten Krisen der jüngeren Geschichte Brasiliens ist das derzeit wichtigste Ministerium wieder führungslos. „Das Leben besteht aus Entscheidungen. Heute habe ich entschieden, zu gehen“, sagte Teich, ohne näher auf die Gründe einzugehen.

Das brauchte er auch nicht. Präsident Bolsonaro hatte in den Tagen zuvor ein Ultimatum gestellt, um die Vorschriften für die Anwendung des Wirkstoffs Chloroquin so zu ändern, dass Corona-Patienten damit behandelt werden können. Seit Beginn der Pandemie preist Bolsonaro den Wirkstoff, der Herzrhythmusstörungen verursachen kann, als „Heilmittel“ an. Er hielt gar Labors der Armee dazu an, die Produktion des gegen Malaria eingesetzten Wirkstoffs zu steigern. Doch Teich, ein Onkologe ohne politischen Hintergrund, hatte Bedenken. Am Freitag sagte Teich dem Präsidenten, dass er die Regeln für die Anwendung von Chloroquin zur Behandlung von Corona-Patienten nicht ändern könne, solange kein wissenschaftlicher Nachweis für die Wirksamkeit existiere.

Täglich mehr als 800 Corona-Tote

Da er sich nicht wie sein Vorgänger Mandetta als „Befehlsverweigerer“ gegen Bolsonaro auflehnen wollte, zog er den Rücktritt einer Entlassung vor. Bolsonaro wurde von Teichs Entscheidung überrascht. Ein Nachfolger dürfte erst in den kommenden Tagen bekanntgegeben werden. Bis dahin übernimmt die Nummer zwei im Ministerium, General Eduardo Pazuello, vorübergehend die Leitung des Gesundheitsministeriums. Am Tag der Rücktritts und tags darauf hämmerte man in Brasilien wieder auf die Kochtöpfe aus Protest gegen Bolsonaro. Brasilien zählte in den vergangenen Tagen jeweils mehr als 800 Todesopfer infolge einer Infektion mit dem Coronavirus.