
Den Galgenhumor hat er noch nicht verloren. „Die Blockade hatte wenigstens eine gute Seite“, sagt ein Einwohner der jemenitischen Hauptstadt am Telefon: als Bollwerk gegen das Coronavirus. Seit Jahren werden die von den Houthi-Rebellen beherrschten Regionen im Norden des Jemens durch eine von Saudi-Arabien geführte Koalition weitgehend abgeriegelt. Seit fünf Jahren zieht diese gegen die von Iran geförderten Houthi zu Felde. Jetzt riegeln die Houthi ihr Herrschaftsgebiet jedoch selbst ab, denn dem geschundenen Land droht eine weitere Katastrophe. Noch gibt es zwar keinen offiziell bestätigten Corona-Fall, doch das scheint nur eine Frage der Zeit.
Ein massenhafter Ausbruch des Virus im Jemen dürfte verheerende Folgen haben. Lise Grande, die Nothilfekoordinatorin der Vereinten Nationen, spricht von einem „möglichen Albtraum“. Der Bevölkerung stecken Gewalt, Vertreibung, Hunger und der schlimmste Cholera-Ausbruch der modernen Geschichte in den Knochen. „Wir haben eine geschwächte Bevölkerung und ein Gesundheitssystem, das nicht in der Lage ist, zu reagieren, weil es systematisch ausgehöhlt und überlastet wurde in fünf Jahren ständigen Konflikts“, sagt Grande. Es dürfte schwer sein, die Verbreitung des Coronavirus einzudämmen. Schon Schutzmaßnahmen wie regelmäßiges Händewaschen sind in einem Land, in dem ein eklatanter Mangel an sauberem Wasser herrscht – von Schutzkleidung oder Desinfektionsmitteln ganz zu schweigen – kaum möglich.
