Inland

Ausgangssperre in Freiburg: „Die Menschen brauchen manchmal eine Ansage“

• Bookmarks: 22


Die menschenleere Fußgängerzone in der Freiburger Innenstadt am Donnerstagabend

Freiburg hat als erste Universitätsstadt in Deutschland ein Betretungsverbot für öffentliche Plätze, Grünflächen, Gehwege, Parkanlagen und Straßen erlassen. Damit reagiert die südbadische Stadt auf das nicht an die Corona-Krise angepasste Verhalten vieler jünger Bürger und unternimmt einen weiteren Versuch, die Ausbreitung der Coronaepidemie zu verlangsamen. „Die Menschen brauchen manchmal eine Ansage. Es ist ja nicht sinnvoll, wenn wir die Schulen schließen und die Schüler sich dann zum Feiern auf dem Platz der Alten Synagoge oder im Seepark treffen“, sagte Freiburgs Ordnungsbürgermeister Stefan Breiter (CDU) im Gespräch mit der F.A.Z.

Der Freiburger Oberbürgermeister Martin Horn (parteilos) sagte am Donnerstag in einer Videobotschaft, die Situation sei ernst, die Lage in Mulhouse und Colmar im Nachbarland Frankreich so dramatisch, dass dort Coronapatienten von einem bestimmten Alter an nicht mehr behandelt werden könnten. Krankentransporte aus Frankreich müssten an der Grenze zurückgewiesen werden. „Dementsprechend haben wir gemeinsam beschlossen, ab Samstag ein Betretungsverbot zu erlassen. Wir bitten Sie, für zwei Wochen zu Hause zu bleiben.“ Der Gang zur Arbeit, der Arztbesuch, der Weg zu pflegebedürftigen Angehörigen bleibe jedoch erlaubt. Das Verbot bedeute auch nicht, dass man zu Hause „versteifen“ müsse, es bleibe zum Beispiel möglich, draußen allein Sport zu treiben, so Horn.

In Freiburg seien trotz der Verordnung der Landesregierung „zahlreiche Menschen im Stadtgebiet rege unterwegs“, es sei wahrscheinlich, dass das Gesundheitssystem auch in Freiburg schon bald mit der Versorgung von Coronapatienten überfordert sein könnte, dass auch in Deutschland die Behandlung von Patienten schon bald nach dem Triage-Verfahren priorisiert werden müsse, heißt es in der Begründung der Allgemeinverfügung, die dieser Redaktion vorliegt. Um eine weitere Eskalation zu verhindern, habe man sich entschlossen, die Verbote der Landesregierung und die der Stadt zu verschärfen.

Wie die Deutsche Presse-Agentur am Freitag aus Regierungskreisen erfuhr, bereitet Baden-Württemberg wegen des Coronavirus ein Niederlassungsverbot für Gruppen auf öffentlichen Plätzen im gesamten Bundesland vor.

In Freiburg sind derzeit 126 Menschen mit dem Coronavirus infiziert, im Gebiet des Landkreises Breisgau-Hochschwarzwald 121 Bürger, sechs Patienten sind schwer erkrankt und müssen intensivmedizinisch versorgt werden. Im benachbarten Elsass sind schon 61 Menschen an der Erkrankung gestorben. Das Robert-Koch-Institut hatte die Region Grand Est kürzlich zum Risikogebiet erklärt- die französische Luftwaffe musste schon in dieser Woche einige Patienten in andere Landesteile Frankreichs verlegen.

Am Mittwoch hatte die Freiburger Polizei zwei so genannte Coronapartys mit jeweils mehr als hundert Teilnehmern auflösen müssen. Außerdem waren mehrere Feiern mit etwa zehn Teilnehmern im Stadtgebiet unterbunden worden. „Wir werden jetzt konsequent den Freiburger Weg gehen. Wer zusammensteht, wird aufgefordert, sich zu trennen. Wer sich der Aufforderung verweigert oder wider besseren Wissens handelt, muss mit einer Strafanzeige rechnen“, sagte Breiter. Nach dem Infektionsschutzgesetz kann die Missachtung einer solchen kommunalen Anordnung mit einer Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren bestraft werden.

F.A.Z.-Newsletter Familie

F.A.Z.-Newsletter Coronavirus

Die ganze Welt spricht über das Coronavirus. Alle Nachrichten und Analysen über die Ausbreitung und Bekämpfung der Pandemie täglich in Ihrem E-Mail-Postfach.

Auch in der grün-schwarzen baden-württembergischen Landesregierung wird seit Tagen über eine Verschärfung der Rechtsverordnung zum Infektionsschutz diskutiert. Die Polizei und die Ordnungsämter hatten über vielfache Verstöße gegen das Veranstaltungs- und Versammlungsverbot berichtet, auch auf dem Stuttgarter Marienplatz musste die Polizei größere, spontane Versammlungen von Bürgern auflösen. Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hatte am Donnerstag mit einem Ausgehverbot gedroht. Viele Oberbürgermeister und Bürgermeister klagen über Regelungslücken in der erst vor wenigen Tagen erlassenen Verordnung: So sind Betreiber von Eisdielen, die eigentlich geschlossen werden müssen, dazu übergegangen, sich mit kleinen Speisangeboten zu Restaurants umzudeklarieren.

Für das in normalen Zeiten äußerst liberale Freiburg ist das Betretungsverbot ein sehr drastischer Schritt. In der Stadtverwaltung weist man daraufhin, dass es sich nicht um ein komplettes Ausgehverbot handle. Darüber will Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Wochenende mit den Ministerpräsidenten sprechen.