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Iran: Parlamentswahl könnte Präsident Rohani schwächen

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Eine Frau gibt ihren Stimmzettel in einem Wahllokal in Teheran ab.

Vor dem Hintergrund einer schweren Wirtschaftskrise und verschärfter amerikanischer Sanktionen haben die Iraner am Freitag ein neues Parlament gewählt. Erwartet wurde eine geringe Wahlbeteiligung, was Präsident Hassan Rohani die Parlamentsmehrheit kosten könnte. Tausende moderate Kandidaten waren zudem von der Wahl ausgeschlossen worden, so dass die Konservativen vor der Rückkehr an die Macht stehen könnten.

Sieben Stunden nach Öffnung der Wahllokale hatten nach Angaben des iranischen Innenministeriums nur etwas mehr als elf Millionen der 58 Millionen Wahlberechtigten ihre Stimme abgegeben. Der von konservativen Geistlichen dominierte Wächterrat gab an, mit einer Wahlbeteiligung von mindestens 50 Prozent zu rechnen. Dies wäre deutlich niedriger als bei den vorangegangenen Urnengängen, bei denen die Wahlbeteiligung nach offiziellen Angaben im Schnitt bei 60,5 Prozent gelegen hatte.

Offenbar um die geringe Beteiligung nach oben zu treiben, verschoben die Behörden die Schließung der Wahllokale mindestens fünf Mal. Statt wie geplant um 18 Uhr Ortszeit endete die Abstimmung erst um Mitternacht (21.30 Uhr MEZ). Ergebnisse der Wahl werden nicht vor Sonntag erwartet.

„Nicht die Kriterien eine demokratischen Wahl“

Das Staatsfernsehen zeigte das geistliche Oberhaupt des Iran, Ayatollah Ali Chamenei, bei der Stimmabgabe in Teheran. Dabei rief er alle Iraner auf, wählen zu gehen, um damit „die nationalen Interessen des Landes zu garantieren“. In den Hochburgen der Konservativen im Süden Teherans bildeten sich vor den Wahllokalen lange Schlangen. In den wohlhabenderen Gegenden im Norden der Hauptstadt dagegen waren deutlich weniger Wähler zu sehen.

Der Wächterrat hatte mehr als die Hälfte der rund 16.000 Kandidaten für die 290 Parlamentssitze nicht zur Abstimmung zugelassen, darunter vor allem die moderaten Kräfte um Rohani. Die Bevölkerung macht den Staatschef für die schlechte Wirtschaftslage verantwortlich. Das Land leidet massiv unter den amerikanischen Sanktionen.

Die Parlamentswahl erfülle „nicht die Kriterien einer demokratischen Wahl“, kritisierte der außenpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Bijan Djir-Sarai. Der Wächterrat habe nur Kandidaten zugelassen, „die loyal zur Islamischen Republik stehen“. Echte Reformer dagegen seien nicht vertreten.

Besonders viele junge Anhänger sind enttäuscht von Rohani

Es ist die elfte Parlamentswahl im Iran seit der Revolution 1979 und die erste seit der Aufkündigung des Atomabkommens durch die Vereinigten Staaten im Mai 2018, für das sich Rohani eingesetzt hatte. Der amtierende Präsident war 2017 mit dem Versprechen wiedergewählt worden, für mehr Freiheiten und den Austausch mit dem Westen einzutreten.

Besonders viele junge Anhänger des moderaten Lagers wollten aber aus Enttäuschung über die politische Führung gar nicht erst zur Abstimmung gehen. Der im Immobiliengeschäft tätige Alireza Haschemi sagte, nach der Wahl Rohanis sei „alles den Bach runtergegangen“. Rohani haben ein „schlechtes Atomabkommen unterzeichnet und ohne echte Garantien nach Westen geschaut“. Und der 38-jährige arbeitslose Amir Mohtascham sagte: „Unsere Wahlen sind nutzlos.“ Im Parlament säßen 90 Abgeordnete, gegen die wegen Korruption ermittelt werde.

Rohani forderte die Menschen auf, trotz Unzufriedenheit mit der Regierung zur Wahl zu gehen. Viele moderate Kräfte warnten im Falle einer geringen Wahlbeteiligung vor einem Sieg der Ultrakonservativen.

Am Donnerstag hatte Washington neue Sanktionen gegen fünf Mitglieder des Wächterrats wegen „Manipulation der Wahlen zugunsten der gefährlichen Agenda des Regimes“ verhängt. Der Wächterrat erklärte, diese zeigten die Geringschätzung der Vereinigten Staaten für die Demokratie.

Überschattet wurde die Wahl auch durch weitere Infektionsfälle mit dem neuartigen Coronavirus. Vier Menschen starben nach Angaben des iranischen Gesundheitsministeriums bislang an dem Erreger. Ein Regierungsvertreter warf den „Feinden“ des Iran vor, das Ausmaß des Virusausbruchs zu übertreiben, um der Glaubwürdigkeit der Wahl zu schaden.

Neben dem Parlament wurden auch neue Vertreter für verstorbene Mitglieder des Expertenrats gewählt – einem aus Geistlichen bestehenden Gremium, das den obersten geistlichen Führer bestimmt.