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SPD siegt in Hamburg: Die eigentliche Überraschung

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Vorhergesagt, und doch befreiend: Hamburger SPD-Anhänger feiern den Wahlausgang.

Überraschungen im Blick auf die Mehrheitsverhältnisse in Hamburg hielt der erste und mutmaßlich einzige Wahlsonntag in diesem Jahr nicht bereit: Angesichts eines rot-grünen Senates, dessen Ansehen im Vergleich mit anderen Landesregierungen als überragend bezeichnet werden muss, wollte keine Wechselstimmung aufkommen. Und sah es vor einiger Zeit nach einem Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Peter Tschentscher (SPD) und der grünen Spitzenkandidatin Katharina Fegebank aus, so ließen alle Umfragen längst einen Sieg der SPD erwarten.

So ist es gekommen – und das ist die eigentliche Überraschung: Politik- und Politikerverdrossenheit sind kein Schicksal. Offenbar ist es nach wie vor möglich, so in einem Gemeinwesen Verantwortung zu übernehmen, dass den Bürgern nach fünf Jahren der Sinn nicht nach Abwechslung steht. Die zweite Überraschung folgt aus der ersten: Nicht einmal die SPD ist zwangsläufig dem Untergang geweiht. In Hamburg kam sie trotz deutlichen Verlusten auf einen Stimmenanteil, der etwa dreimal so hoch ist wie jener, den die Sozialdemokraten derzeit im Bund erwarten dürfen.

Freilich hat die Hamburger SPD viele jener Lektionen gelernt, die die Bundespartei und die meisten anderen Landesverbände bis heute nicht einmal wahrhaben wollen. In den neunziger Jahren versagte die erfolgsverwöhnte Partei auf einem politischen Feld nach dem anderen, allem voran bei den Themen innere Sicherheit und Bildung.

Hamburg wurde zum Experimentierfeld

Die Hochburg der Sozialdemokratie wurde zu einem politischen Experimentierfeld. Viele Entwicklungen, die gemeinhin für die Ära Merkel stehen, wurden an der Elbe vorweggenommen: Eine rechtsextreme Partei, die DVU, verpasste den Einzug in die Bürgerschaft um Haaresbreite, ein Populist namens Ronald Schill triumphierte, und die CDU wurde mit einem urban-hanseatischen Spitzenkandidaten namens Ole von Beust bis weit in die linke Mitte hinein wählbar.