
Mit Ende 30 hatte Patrick Hohmann einen absurden Einfall: Er wollte eine Uhr aus Raketenschrott bauen. Heute verkauft er davon bis zu 3000 Stück im Jahr.
Einmal war Patrick Hohmann dabei, als der Schrott vom Himmel fiel. Im Niemandsland der Steppe, 80 bis 120 Kilometer östlich des Weltraumbahnhofs, in der schier unendlichen Weite, wo es ganz still ist und nur nach Gräsern riecht. Und wo deshalb umso mehr los ist, wenn mal was passiert, wenn sich zum Beispiel eine Sojus-Rakete, die soeben am Weltraumbahnhof Baikonur gestartet ist, von ihren Boostern trennt. Ein Donnergrollen der Technik, mitten in der Natur. Patrick Hohmann wusste, wann die Rakete starten würde, er wusste, dass es knapp zwei Minuten dauern müsse, bis der Lärm in der Sperrzone der kasachischen Steppe einsetzen, bis der Booster und die Spitze der Rakete zu Boden segeln würden. Er konnte die Zeit stoppen, auf seiner Uhr, deren Einzelteile zuvor auch vom Himmel gefallen waren.
Vor neun Jahren hatte Patrick Hohmann den verwegenen Einfall. In der Uhrenbranche kennt man sich aus mit „höher, schneller, weiter“, auch mit Superlativen ist man vertraut. Eine Geschichte macht eine Uhr maßgebend, mit einer Luxusuhr geht es für Taucher in menschenfeindliche Tiefen, Rennfahrer tragen sie im Cockpit, Segler auf den Weltmeeren. Die Omega-Speedmaster begleitete Buzz Aldrin bei der ersten bemannten Mondlandung und seitdem viele weitere Astronauten.
Patrick Hohmanns Idee aber ging darüber hinaus: Was, wenn die Uhr mehr als eine Geschichte zitieren würde? Wenn sie selbst ein Teil davon wäre? Was, wenn die Uhr eine Rakete wäre?
Auf diesen Gedanken kam er hienieden, beim Joggen an einem Zürcher Bachlauf, dem Werenbach. Schon immer war Hohmann, der heute 46 Jahre alt ist, vom Weltall fasziniert. Er las jeden Artikel darüber, der ihm in die Finger kam. Und er interessierte sich so für Uhren, dass er vor jedem Schaufenster stehen blieb. Vor allem nach der Omega Speedmaster hielt er Ausschau. Diese Monduhr wollte er haben, und an die dachte er nun auch beim Joggen. Am Handgelenk trug er eine Swatch, immerhin aus Stahl.
„Er ist ein Pionier in seiner ganz eigenen Welt“
Er war damals beim Joggen in der irritierenden Lebenslage, nicht genau zu wissen, was er künftig machen sollte. Er hatte jahrelang in Kommunikationsabteilungen gearbeitet und war verantwortlich dafür, Marken neu zu erfinden. Er sei es gewohnt gewesen, 200 Prozent zu arbeiten, sagt er. Sein Vater hatte ein Textilunternehmen für ökologische Bekleidung, da sollte er eigentlich einsteigen. Also kündigte Hohmann seinen Job. Doch dann geriet das familiäre Unternehmen in finanzielle Schwierigkeiten, hinzu kam ein Vater-Sohn-Konflikt. „Er ist ein Pionier in seiner ganz eigenen Welt“, sagt Hohmann über seinen Vater. Am Ende der Überlegungen stand die Entscheidung, besser nicht zusammenzuarbeiten. Das war der Anfang von Hohmanns Idee, eine Uhr aus einer Rakete zu bauen. „Dazu kam eine Schwäche für unmögliche Projekte.“ Hohmann wohnte damals seit mehr als einem Jahrzehnt in Zürich, war Ende 30, geboren in Stuttgart und aufgewachsen in der Zentralschweiz.
Metallplatten mit den Flaggen der Astronauten, ein riesiges zerknautschtes Auspuffrohr, der Windschutz einer Rakete: Der Schrott liegt auch heute in seinem Atelier in Zürich. Patrick Hohmann arbeitet jetzt mit Raketen-Memorabilia, obwohl es bis dahin ein langer Weg war. Sein erster Gedanke, nachdem er sich für den Uhren-Plan entschieden hatte: Es müsste selbstverständlich amerikanisches Raketen-Material sein. Hohmann versuchte, über verschiedene Kanäle mit den Behörden Kontakt aufzunehmen und verlor dabei viel Zeit. Amerika sollte es schon sein. „Viel seriöser als russisches Material. Aber das stellte sich dann als unmöglich heraus. Die Weltraumbahnhöfe sind alle an den Ostküsten der Kontinente, und die Raketen fliegen gen Osten, insofern landet das alles im Meer.“ Anders in Russland, wenn es vom Weltraumbahnhof Baikonur aus losgeht. „Diese Raketen fallen in Kasachstan herunter.“
