Mode & Design

Versteigerung in München: Vintage heißt edel

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Seiden-Crêpe-Kleid von Christian Dior, 1956 (3000/4000 Euro)

Stiefel von Yves Saint Laurent oder ein Balenciaga-Kleid? In München wird Mode von berühmten Entwerfern und Couturiers versteigert. Die Stücke lassen sich sammeln wie Kunstwerke.

Wer sich in ein Paar Stiefel aus der Haute-Couture-Kollektion von Yves Saint Laurent nicht verliebt, hat kein Herz für Schuhe. Wer diesen Traum vom Anfang der Achtziger aus schwarzem Nappa mit Silbermetallic-Leder tragen will, braucht die Größe 38,5 – und vermutlich eine Menge Geld- denn zum Schätzpreis von 700 bis 900 Euro wird er wahrscheinlich nicht zu haben sein. Dazu passt perfekt ein umwerfender, langer schwarzer Gabardine-Mantel aus der Prét-à-Porter-Kollektion 1989 von Yohji Yamamoto, auf dem Höhepunkt der Uni-Sex-Modewelle. Für ihn wird vorsichtig mit 1300 bis 1500 Euro gerechnet. Jeder hat so seine Vorlieben. Und „Vintage“ heißt nicht alt, Vintage bedeutet edel und erlesen, wie das bei den großen Weinlagen so ist.

Es gibt Zitate, deren Inhalt sich genauso wenig überlebt. Coco Chanels „Mode ist vergänglich, Stil bleibt“ ist so ein Satz. Nicht wer unverbrüchlich an, sagen wir, schwingenden Röcken festhält, hat die Geschmackssicherheit für sich gepachtet. Sondern wer begreift, dass sich die hohe Schule der Mode in ihren Verwandlungen offenbart, darf für sich Stilsicherheit reklamieren. „Zeitlos“ ist da das Zauberwort.

Diese Wahrheit dokumentiert einmal mehr der aktuelle Katalog des Münchner Auktionshauses Neumeister, das schon seit einem Jahrzehnt Versteigerungen aus diesem Terrain im Programm hat. Der Titel „Vintage Culture“ erhebt den Anspruch auf jene Kultiviertheit, in der sich eben Stil manifestiert, als Beständigkeit im Wandel. Der Zusatz „From Haute Couture to Generation Z“ benennt die Bandbreite der insgesamt 428 Losnummern.

Zusammengestellt hat dieses Journal aus 60 Jahren des Luxus und der Moden Peter Kempe, ausgewiesener Kenner und bekennender Vintage-Aficionado, gemeinsam mit Katrin Stoll, der Chefin des Hauses Neumeister. Die Teile kommen aus prominenten Sammlungen, unter ihnen der Pariser Händler Didier Ludot, der sein Geschäft 1975 im Palais Royal eröffnete.

In Paris liegt auch das Epizentrum der Auktion. Die Vintage-Zeitreise führt von der klassischen Haute Couture, für die Balenciaga, Givenchy, Dior oder Chanel stehen, über die weiland jungen Japaner in Paris, wie Issey Miyake oder Yohji Yamamoto, hin zu Gaultier oder Mugler. Und ohne Hermès geht es natürlich nicht. Es gibt nur ein paar Italiener, Ferragamo, Valentino, Gucci. Was gar nicht vorkommt, sind zum Beispiel coole Entwürfe einer Vivienne Westwood aus London. Von Jil Sander aus Hamburg gibt es eine einzige dunkelblaue Handtasche.

Teuerstes Kleidungsstück in der Offerte ist ein lilafarbenes Cocktailkleid mit inkrustierter schwarzer Stickerei des einstigen Modezaren Cristobal Balenciaga von 1958, mit dem bis heute Furore zu machen wäre, ausgezeichnet im Katalog mit 5000 bis 6000 Euro. Ihm folgt ein mit roter Spitze überzogenes Kostüm, das Karl Lagerfeld 1988 für Chanel entwarf und Laure de Beauvau-Craon schenkte, die übrigens von 1991 bis 2004 Chairwoman von Sotheby’s France war. Das flamboyante Gewand in Größe 40 mit seiner Prinzessin-Provenienz soll mindestens 4800 bis 5000 Euro wert sein.

Jede – und jeder – kann seinen modischen Vorlieben folgen. Einigermaßen kühn ist etwa ein „Lingerie-Kleid“ von John Galliano, der 1998 für Christian Dior grauen Tweed mit ecrufarbener Spitze kombinierte. Wesentlich angezogener wirkt frau in einem strengen grauen Mini-Wollkleidchen von André Courrèges aus dem Winter 1968/69 oder auch in einem späteren, superklassischen Smoking-Kleid von YSL, der Ende der Sechziger mit dem Smoking für Frauen die Welt der Couture großartig revolutioniert und Frauen glücklich gemacht hat.

In den Neunzigern gab Thierry Mugler den Frauen starke breite Schultern, wie ein Keypiece von ihm zeigt, ein Kostüm aus gelber und brauner Wolle. Chanel glänzt in einer ganzen Strecke mit der beliebten Unverwechselbarkeit der Marke, vom Jäckchen über Schmuck und Accessoires bis zum Täschchen. Das gilt auch für Hermès, vor allem bei den Tüchern, Gürteln – und Handtaschen. Wo sich doch eigentlich vermuten ließe, dass jede Frau, die so eine unbedingt spazieren führen will, längst eine haben müsste, was ähnlich für die umstandslos identifizierbaren Louis-Vuitton-Stücke gilt.

Spannend wird: Wen erreichen die eigentlichen Vintage-Kleider, als Herzstücke dieser Auktion auf einem Niveau, das so bisher in Deutschland nicht zu sehen war? Was der in jeder Hinsicht bildschöne Katalog vorführt, zielt auf den Nerv eines nach Erlesenheit begierigen, internationalen Markts – und auf passionierte Sammler im Feld des Stils. Dass exquisite Mode in den Museen weltweit die Besucher anzieht, ist bekannt. Dass die wirklich hohe Mode in die Kategorie des künstlerischen Schaffens fällt, hat sich herumgesprochen. Die Versteigerung am 15. Juli in München baut jedenfalls auf wahre Liebhaber und Kenner.

Die schönsten Teile ließen sich dann bestens verstauen in dem geräumigen dreitürigen Kleiderschrank „Cow Wallpaper“, der, wie eine witzige Pointe, als eines der letzten Lose aufgerufen wird: Andy Warhols berühmtes Design von 1966 mit den Kuhköpfen „pink on yellow“ hat dafür gedient, in einer Auflage von 500 Exemplaren- „stellenweise leicht bestoßen“ liegt die Erwartung bei 600 bis 700 Euro.

Dass auch drei Autos im Angebot sind, sei erwähnt, vor allem weil ein perfekt ausgestatteter VW-Westfalia-Campingwagen in Orangerot, Baujahr 1972, dabei ist, ein „Bulli“, dem eine Schätzung von 28.000 bis 30.000 Euro gilt. Die letzte Losnummer umfasst drei Skateboard-Decks, die Jeff Koons 2006 unter dem Motto „Monkey Train“, in einer Auflage von 500 Exemplaren für Supreme entworfen hat- taxiert sind sie auf 2800 bis 3200 Euro. Eines ist ja längst klar: Für hoffnungsvolle Schnäppchenjäger ist diese Veranstaltung nicht gemacht.