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Parfümeur Alberto Morillas: Er liegt in der Luft

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Duft aus dem eigenen Familienunternehmen Mizensir: Bois Iridescent

Seine Erfindungen fangen das Lebensgefühl ein und sind dennoch zeitlos. Duft-Entwickler Alberto Morillas freut sich noch immer, wenn er einen seiner Düfte riecht.

Wenn man nicht wüsste, dass er am Abend zuvor für sein Lebenswerk als Parfümeur geehrt wurde, könnte man Alberto Morillas für einen Modeschöpfer oder Herrenschneider halten. So akkurat sitzen das marineblaue Jackett mit roten Ziernähten, das weiße Hemd, die Krawatte mit goldener Stickerei in Bienen-Form, so gekonnt ist die schmal und kurz geschnittene Hose zu grünen Strümpfen und bunt bestickten Samt-Slippern kombiniert, so selbstverständlich und würdevoll erscheint der 69 Jahre alte Duft-Entwickler mit dem markanten Profil im mutig-verspielten und handwerklich perfekten Komplett-Look von Gucci zum Interview in Düsseldorf.

Der gebürtige Spanier, der in Genf aufwuchs und dort bis heute lebt, sei einer der führenden Protagonisten der Branche – so begründete die Fragrance Foundation die Ehrung von Morillas im Rahmen der Duftstars, einer Preisverleihung der Duftindustrie. Das ist nicht zu hoch gegriffen: Morillas schuf mit CK One für Calvin Klein und Acqua di Giò für Giorgio Armani zwei der legendärsten Parfums der neunziger Jahre. Er legte 2000 mit Flower by Kenzo und sieben Jahre später mit Daisy für Marc Jacobs nach und kreierte 2017 mit Gucci Bloom einen weiteren Bestseller. Und das ist nur eine kleine Auswahl seiner bekanntesten Parfums.

Dennoch tritt er bescheiden auf. Er sei nicht sicher, fragt er zu Beginn des Gesprächs vorsichtig, aber könnte es vielleicht sein, dass ein Hauch von Pleasures in der Luft liege? Den blumigen, weichen, aber nicht zu süßen Duft schuf er 1995 für Estée Lauder. Die Bestätigung seiner Vermutung quittiert Morillas mit fast kindlicher Freude, klatscht sogar kurz begeistert in die Hände: „Es ist so lange her, dass ich daran gearbeitet habe, aber es ist immer noch modern. Ich liebe es, wenn die Menschen meine Parfums gerne tragen.“ Die Bestandteile und die Formel des Dufts kennt er noch immer. „Die wichtigste Komponente neben Rosen und Moschus ist rosa Pfeffer, den ich damals zum ersten Mal für ein Parfum verwendet habe.“

Jeden seiner Düfte versieht Morillas mit einer charakteristischen Note. Bei Pleasures ist es der rosa Pfeffer, bei CK One, dem bis heute erfolgreichen Unisex-Duft, ist es Mate. Die nach vielen Versuchen entstehenden Formeln notiere er am liebsten mit der Hand, erzählt Morillas in einem lebendigen und ansteckenden Mix aus Englisch und Französisch: „Schon während ich schreibe, rieche ich die Essenzen.“ Aber wie macht ein Parfümeur, dessen Arbeitsinstrument ein ständig aktives Sinnesorgan ist, eigentlich Pause? „Grundsätzlich rieche ich natürlich immer etwas. Das kann einen auch verrückt machen. Aber ich habe trainiert, abschalten zu können. Es ist, als würde ich eine Tür in meinem Gehirn für einen Moment schließen.“

Der Name ist Programm

Bei aller technischen Präzision sei das Entwerfen eines Dufts ähnlich wie das Klavierspielen: Man dürfe nicht zu viel denken, sondern müsse vor allem fühlen. „Parfum ist so abstrakt wie Musik, beides kann man nicht sehen oder anfassen.“ Wie Musik nehme auch Parfum jeder anders wahr. Und doch gibt es sie, diese musikalischen oder eben duftenden Superhits, die Menschen über Generationen und Grenzen hinweg gleichermaßen berühren. Der Parfümeur als Künstler? Morillas winkt bescheiden ab: „Ich denke vielleicht wie ein Künstler, weil auch ich Emotionen und Momente einfange, aber ich halte mich nicht für einen. Darüber denke ich auch gar nicht nach. Ich denke über Parfums nach.“

Warum so viele seiner Kreationen bis heute derart erfolgreich sind, und das rund um die Welt, wisse er nicht genau. „Es ist ein Mysterium. Mein ganzer Beruf ist ein großes Mysterium.“ Es klingt, als sei er selbst gespannt, welche Überraschung sein Tun als nächstes bereithält.

Dabei wusste er lange gar nicht, was ein Parfümeur überhaupt ist. Bis er als Kunststudent in Genf einen Artikel in der „Vogue“ über den Beruf las und so fasziniert war, dass er sein Studium aufgab und sich bei Firmenich bewarb. Dem Schweizer Aromen- und Dufthersteller mit heute 7000 Mitarbeitern verdankt die Parfumindustrie wegweisende Entwicklungen, vor allem von neuen Molekülen, die auch Morillas in seinen Düften gerne verwendet, am liebsten in Kombination mit natürlichen Rohstoffen. 1998 wurde er Chefparfümeur von Firmenich.

Neben der Arbeit für große Marken widmet sich Morillas einem ganz besonderen Unternehmen: seinem eigenen. Mizensir heißt die Marke, deren Name Programm ist. Vor 20 Jahren hatte seine Frau die Idee, Duftkerzen herzustellen – anfangs noch in der Küche des Genfer Hauses. Aus „mise en cire“, Französisch für „in Wachs geben“, wurde Mizensir. Die Kollektion wuchs, seit 2014 gehören auch Parfums zum Programm. Diesmal gab Morillas‘ Tochter den Anstoß. Sie ist Geschäftsführerin von Mizensir und teilt die Leidenschaft ihrer Eltern. Aus der spontanen Idee in der Küche wurde ein kleines Familienunternehmen. Dessen vier Kollektionen sind in Deutschland bei Breuninger in Düsseldorf erhältlich.

Markant, aber nicht aufdringlich

Wenn er für Mizensir entwerfe, sei er frei: Keine nahende Deadline und keine vom Designer vorgegebene Richtung bestimmen die Arbeit, nur Morillas‘ eigene Inspiration. Das können Eindrücke von Reisen sein oder Kindheitserinnerungen an den andalusischen Garten seiner Mutter. Heute ist er gerne in seinem eigenen Garten – manchmal auch im Jackett, sagt er und lacht: „Wenn dort etwas getan werden muss, tue ich es. Daran, mich umzuziehen, denke ich dann nicht.“

Die Auswahl wäre sowieso begrenzt: So ausgefallen Anzug und Krawatte sein mögen, Morillas trägt immer ein weißes Hemd. Und natürlich Parfum. Heute ist es Ideal Oud von Mizensir, komponiert aus Rose, Oud-Holz, rosa Pfeffer und Safran. Der Duft ist markant, aber nicht aufdringlich. Unterhaltsam, aber nicht gefällig. Außergewöhnlich, aber nicht sperrig. Ein echter Morillas eben.