Politik

Debatte um Strafmündigkeit: Wenn Kinder zu Tätern werden

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Jugendhaftanstalt Tegel: Ein Gefangener in Begleitung eines Justizangestellten.

Nach dem Verbrechen von Mülheim ist die Debatte um das Mindestalter für Strafmündigkeit neu entflammt. Rainer Wendt fordert eine Herabsetzung auf zwölf Jahre – Experten wollen jedoch am Alter von 14 Jahren festhalten.

Die Dynamik war vorhersehbar. Nachdem am Wochenende bekanntgeworden war, dass zwei der mutmaßlichen Täter einer Gruppenvergewaltigung in Mülheim zwölf Jahre alt und damit strafunmündig sind, dauerte es nur wenige Stunden, bis sich Rainer Wendt meldete. Einmal mehr forderte der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, die Schwelle der Strafmündigkeit auf zwölf Jahre zu senken. Wenn sich Kinder und Jugendliche vor einem Richter verantworten müssten, würde das mehr Eindruck machen, als wenn sich das Jugendamt einschalte, so Wendt. Die Strafmündigkeit ist immer wieder Gegenstand von Debatten, besonders dann, wenn außergewöhnlich schlimme Verbrechen geschehen sind.

In Deutschland sind Kinder unter 14 Jahren strafunmündig. Das Gesetz bezeichnet sie als „schuldunfähig“. Dabei handelt es sich um eine unwiderlegbare Vermutung, die zu einer Einstellung des Verfahrens führt. Was der Bundesgerichtshof unter strafrechtlicher Schuld versteht, erläuterte er 1952 in einer Grundsatzentscheidung. Darin heißt es: „Strafe setzt Schuld voraus. Schuld ist Vorwerfbarkeit. Mit dem Unwerturteil der Schuld wird dem Täter vorgeworfen, daß er sich nicht rechtmäßig verhalten, daß er sich für das Unrecht entschieden hat, obwohl er sich rechtmäßig verhalten, sich für das Recht hätte entscheiden können. Der innere Grund des Schuldvorwurfes liegt darin, daß der Mensch auf freie, verantwortliche, sittliche Selbstbestimmung angelegt und deshalb befähigt ist, sich für das Recht und gegen das Unrecht zu entscheiden, sein Verhalten nach den Normen des rechtlichen Sollens einzurichten und das rechtlich Verbotene zu vermeiden, sobald er die sittliche Reife erlangt hat (…) .“ Der Täter muss das Unrecht seiner Tat also erkennen und fähig sein, seinem Unrechtsbewusstsein entsprechend zu handeln. Bei Kindern unter 14 Jahren geht das deutsche Strafrecht davon aus, dass ihnen diese „sittliche Reife“ fehlt- bei Jugendlichen zwischen 14 und 18 Jahren muss sie eigens festgestellt werden, auch von deren Reife geht das Gesetz nicht aus.