
Eine deutsche Hochküche, wie es sie noch nie gegeben hat, will Maximilian Lorenz in Köln erschaffen – ein maximal kühner Plan, der weder Illusion noch Utopie bleiben muss. Die Kolumne Geschmackssache.
Sein Restaurant nach sich selbst zu benennen ist in aller Regel das Privileg der allergrößten Köche. Guy Savoy und Alain Ducasse nehmen es für sich in Anspruch, Vater und Tochter Arzak und die Roca-Brüder, Klaus Erfort als einziger deutscher Drei-Sterne-Koch – und ein kühner, junger Mann aus Bergisch-Gladbach, der sich eines Tages seinen Sitz im Olymp der Küchengötter als Schöpfer einer eigenständigen, deutschen Hochküche verdienen will: einer Küche, die selbstbewusst aus dem übermächtigen Schatten der klassischen Haute Cuisine tritt und sich nicht mit einer Variation des großen Vorbildes begnügt, die ausschließlich mit deutschen Zutaten kocht, um ein vollkommen neues Aromenpanorama zu schaffen und dabei eher regional als national denkt- einer Küche, wie sie René Redzepi im „Noma“ in Kopenhagen und Heinz Reitbauer im „Steirereck“ in Wien auf den Tisch bringen, zwei der besten Chefs der Gegenwart, die niemals auf die Idee kämen, ihre Restaurants nach sich selbst zu benennen.
Niemand kann Maximilian Lorenz vorwerfen, nicht frühzeitig genug mit dem Schmieden seines großen Planes begonnen zu haben. Zum elften Geburtstag machten ihm seine Eltern das verhängnisvolle Geschenk, einen Tag lang beim großen Dieter Müller in die Kochtöpfe schauen zu dürfen. Sofort war es um den Knaben geschehen, der fortan jede freie Stunde als Hilfskraft in Müllers Drei-Sterne-Küche verbrachte. Eine Lehre bei den gleichfalls besternten Brüdern Wilbrand in Odenthal war die logische Konsequenz, doch schon kurz darauf brach Lorenz mit den Konventionen seiner Zunft.
Statt sich auf die übliche Walz angehender Spitzenköche durch die Küchen arrivierter Kollegen zu begeben, machte er sich mit einundzwanzig Jahren in Köln selbständig, erkochte sich mit fünfundzwanzig einen Michelin-Stern, beschloss mit siebenundzwanzig, seinen eigenen, radikalen Weg abseits der Haute-Cuisine-Alleen einzuschlagen, und eröffnete gleichfalls in Köln das sofort wieder mit einem Stern ausgezeichnete „Maximilian Lorenz“ als Trutzburg einer radikal deutschen Hochküche und exklusiv deutschen Weinkarte, die nur beim Franzen-Champagner eine unpatriotische Ausnahme im Sinne Goethes macht.
So fein kann die deutsche Küche sein
Die kulinarische Revolution beginnt bei Maximilian Lorenz und seinem Küchenchef Enrico Hirschfeld allerdings nicht mit Paukenschlägen, sondern mit leisen Tönen. Das puristisch zurückhaltende Tatar vom Duroc-Schwein auf Roggenbrot ist nicht der Küchengrußproviant, um die Bastille zu stürmen, und das Bio-Eigelb mit Räucherforellensud, Heringskaviar, winzigen Kartoffelcroûtons und Meerrettichcreme begnügt sich damit, eine schöne Miniaturisierung dieser klassischen Aromenkombination in unorthodoxer Gestalt zu sein. Doch schon beim täuschend echt nachgebauten „Rheinkiesel“ aus Kalbsleber-Mousse zeigt die Küche ihren kreativen Impetus: Der Kiesel wird mit einer gut verdaulichen, auf Wodka basierenden, mit Bergamotte, Orangenschalen, Lavendel und Rosmarin parfümierten Variante des Kölnischen Wassers 4711 besprüht, die dem Original geschmacklich erstaunlich nahe kommt.
