Essen & Trinken

Geschmackssache: Endstation Seezungenfilet

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Josef und Thomas Wolf kochen in ihrem Restaurant „Eisenbahn“ in Schwäbisch Hall eine makellose französische Hochküche

Wie der Vater so der Sohn: Josef und Thomas Wolf kochen in ihrem Restaurant „Eisenbahn“ in Schwäbisch Hall eine makellose französische Hochküche ohne den Hautgout der Musealität.

Wenn ein Restaurant „Eisenbahn“ heißt, seinen Namen tatsächlich dem Zugverkehr verdankt und dazu noch im tiefsten Schwabenland liegt, kann es sich gar nicht dagegen wehren, mit dem beliebten Kinderlied von der „Schwäbsche Eisebahne“ in Verbindung gebracht zu werden, das ja nicht nur die „Haltstatione“ und „Postillione“, sondern auch die „Restauratione“ entlang dem schwäbischen Schienennetz rühmt.

Allerdings liegt unsere „Eisenbahn“ weder an Gleisen, noch erinnert sie an eine Bahnhofsgaststätte, und schon gar nicht steht das im Liedchen unfreiwillig angerichtete Ziegen-Frikassee auf ihrer Speisekarte. Stattdessen wird uns zum Auftakt unserer kulinarischen Eisenbahnfahrt auf schweren Silberlöffeln – der Albtraum jedes schwäbischen Sparfuchses – ein Parmesan-Schaum mit confierter Tomate, ein Croustillant von Meerestieren mit Mango-Ananas-Ragout, eine Gänsestopfleber-Praline mit weißem Portwein-Gelée und eine ausgebackene Riesengarnele mit Basilikum-Tomaten-Schaum serviert – lauter technisch makellose Aroma-Ausrufungszeichen, die nichts mit schwäbischem Lokalpatriotismus und viel mit französischem Küchentraditionalismus zu tun haben.

Die „Eisenbahn“ lag tatsächlich einmal an der Schwäbischen Eisenbahn, Anfang des vorigen Jahrhunderts, als die Familie Wolf die Gaststätte in Schwäbisch Hall übernahm und die Reisenden mit Spätzle und Spießbraten versorgte, bevor sie in den Zug stiegen. So ging das viele Jahre lang, bis das Gleisbett verlegt und Josef Wolf das Schwabenland zu eng wurde.

Französische Küche

Auf Geheiß seines patriarchalischen Vaters absolvierte er zwar eine Kochlehre in einem gutbürgerlichen Haus, doch sofort danach entwischte er in die Schweiz, kochte in den Grandhotels von Davos und St. Moritz die klassisch französische Terrinen- und Pasteten-Hochküche, verfeinerte sein Können im „Meurice“ in Paris und im „Impérial“ in Brighton und kehrte 1976 voller Tatendrang nach Hause zurück, um das ganz dicke Schwabenbrett zu bohren und die „Eisenbahn“ mit zäher Leidenschaft in ein Gourmetlokal zu verwandeln. 1997 wurde er dafür mit einem Michelin-Stern belohnt, der seither ohne Unterbrechung über dem Haus leuchtet.

Er wird mit klassizistisch risikofreien Gerichten wie der Foie Gras verdient, die als monumentaler Barren auf dem Teller liegt, gekrönt von einem Zylinder aus Blutorangen-Gelée. Dazu gibt es ein Blutorangen-Filet, eine Nocke von Gänsestopflebereis, den obligatorischen, im Grunde völlig überflüssigen Brioche und die Erkenntnis gratis dazu, dass man sich bei Familie Wolf nicht vor Traditionsbrüchen fürchten muss – allerdings auch nicht vor einer verstaubten Museumsküche, die den Kanon der Klassiker mit sturer Einfallslosigkeit nachkocht. Stattdessen tischt sie uns eine wunderbar frische Rotbarbe auf, die auf der Haut gebraten, auf Spinatblätter gebettet und von Bouchot-Muscheln mit Gemüse-Brunoise begleitet wird.

Das ist eine Hommage ans Mittelmeer im reinsten Stile eines Alain Ducasse, die von einer Beurre blanc mit Muschelsud, einem Bärlauch-Risotto und frittierten Algen so mediterran vollendet wird, dass wir uns für einen Moment wie in einem St-Tropez am Flusse Kocher fühlen.