Gesellschaft

Ein Syrer in Ghana: Flucht nach Afrika

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Mahmoud mit einer Mitarbeiterin in seinem Laden „Cell 4 Sell“ in Accra

Mahmoud ist vor dem Krieg in Syrien geflohen – jedoch nicht nach Europa, sondern nach Ghana. Wie es ist, sich dort ein neues Leben aufzubauen.

Mahmoud Al Fawal ist ein sanfter Mann, aber wenn er schwitzt, bekommt er schlechte Laune. Und er schwitzt immer. Es ist Samstagmorgen, 80 Prozent Luftfeuchtigkeit, 34 Grad. Mahmoud verlässt sein Haus, wischt sich den Schweiß von der Halbglatze und öffnet sein Auto. Er plumpst in den Kunstledersitz seines rostigen Toyotas. Der Schweiß rinnt ihm in den Nacken, das Lenkrad ist heiß von der Sonne. Mahmoud fährt los, ganz langsam, um die Schlaglöcher herum. Als ihm ein Auto entgegenkommt, stöhnt er und schimpft durchs offene Fenster. „Das ist eine Einbahnstraße, da steht ein riesiges Schild!“ Er versteht das nicht: „So eine einfache Regel.“ Mahmoud versteht vieles hier nicht. Seine neue Heimat ist ihm immer noch fremd, auch nach drei Jahren.

Er ist ein Syrer, der vor dem Krieg geflohen ist. Tausende Kilometer in ein fremdes Land, wie Millionen anderer. Nur ist Mahmoud nicht nach Europa gegangen, nach Deutschland oder Schweden. Er lebt in Ghana, in Westafrika.

Wie jeden Morgen parkt Mahmoud sein Auto um Punkt acht Uhr vor seinem Geschäft: „Cell 4 Sell“, mitten in Accra, der Hauptstadt Ghanas. Mahmoud verkauft Handys und Lautsprecher, repariert Telefone, Laptops, Drucker. Er ist der Herr über die „Elkatronics“, wie er alles Technische in seiner Mischung aus Englisch und Arabisch nennt. Auf der Straße vor seinem Laden stauen sich Minibusse, Menschen, Motorroller. Aus rostigen Auspuffen strömen Abgase in die Hitze. Mahmoud hustet und schließt auf. Innen ist es klimatisiert und blitzsauber, neue Handys glänzen in Glasvitrinen.

Unter Hochspannung

„Cell 4 Sell“ gibt es erst seit zwei Jahren, trotzdem ist Mahmoud schon bekannt. In einer Stadt voller Handyhändler, Kleinstreparateure und Elektroschrottverwerter empfiehlt jeder Mahmoud, wenn es um Geräte geht, die eigentlich nicht mehr zu retten sind. Nur „Mahmoud“. Kein Nachname.

„Ich liebe alles an den Elkatronics“, sagt er. Drähte, Verkabelungen, Schaltkreise – für ihn sind das mehr als nur Dinge. Die zwingende Logik der Technik war für ihn schon immer ein Zufluchtsort. „Mit Elkatronics erschaffe ich in meinem Kopf eine eigene Welt.“ In Damaskus motzte Mahmoud schon als Kind seine ferngesteuerten Spielzeugautos auf. Jetzt ist er 34, und er lacht immer noch, wenn er sich daran erinnert. Der Mann, von dem er lernte, dass man alles reparieren kann, war sein Vater, einer der besten Restaurateure in Damaskus.

„Er ist ein unerträglicher Perfektionist“, sagt Mahmoud und erzählt, wie sein Vater einmal den Auftrag bekam, eine antike Tür am Präsidentenpalast zu restaurieren. Als er die Tür inspiziert hatte, sagte er zu Assads bewaffneten Männern: „Das muss man alles rausreißen, den gesamten Türsturz, sonst nehme ich den Auftrag nicht an.“ Der Türsturz sei nur minimal schief gewesen, sagt Mahmoud. „Zu 99 Prozent gerade, aber eben nicht ganz perfekt.“ Seine Mutter habe schreckliche Angst gehabt. „Niemand lehnte einen Auftrag des Präsidenten ab.“ Aber sein Vater setzte sich durch. „Er war nicht politisch“, sagt Mahmoud. „Ihm war nur nichts wichtiger als sein Handwerk.“