Gesellschaft

Seit 63 Jahren glücklich verheiratet: „Wir klammern uns aneinander“


Helli und Sepp im Porträt.

Sepp und Helli sind seit dreiundsechzig Jahren verheiratet. Vor einem Jahr erlitt Helli einen Schlaganfall – mit den Folgen kämpft das Paar bis heute. Ein Gespräch über die Kunst, gemeinsam alt zu werden.

Wo ist denn Ihre Frau?

Sepp Forcher: Die Helli ist noch mit der Pflegerin in der Stube. Wir können später zu ihr rein und mir ihr reden.

Wie geht es ihr?

Sie erholt sich gerade langsam von einem Schlaganfall. Sie hat zum Glück keine Sprachstörungen und auch keine Denkstörungen, sie ist nur sehr schwach. Der Schlaganfall war vor einem Jahr. Am Anfang war ich zuversichtlich, dachte: In einem Monat ist das Ärgste vorbei. Aber dann sind Komplikationen aufgetreten. Das hat die Helli nachhaltig geschwächt.

Haben Sie die Zuversicht verloren?

Ich bin froh, dass die Helli noch am Leben ist, relativ unbeschädigt. Aber ich weiß jetzt, dass das Leben nicht mehr so weitergeht wie bisher. Wir sind beide achtundachtzig, seit dreiundsechzig Jahren verheiratet. Wir wissen, dass unsere Tage gezählt sind.

Haben Sie Angst, dass Ihre Frau vielleicht vor Ihnen stirbt?

Diesen Gedanken verdränge ich. Wobei ich mir immer wünsche, der Erste zu sein, der hinübergeht.

Warum?

Um mir das Leid zu ersparen. Wir wissen, wie das ist, wir haben unseren Sohn vor über vierzig Jahren verloren. Autounfall. Das war das schlimmste Ereignis. Innerhalb eines Augenblicks hat sich unser ganzes Leben verändert. Wir haben lange getrauert, es dann aber geschafft.

Der Verlust des Kindes kann ein Paar auch auseinanderreißen.

Unsere Vorliebe für das Bergsteigen und Wandern hat uns geholfen. Beim Aufstieg sind wir immer getrennt gegangen, weil wir unterschiedliche Konditionen hatten. Aber wir sind gemeinsam abgestiegen. Und beim Abstieg haben wir immer über unseren verstorbenen Peter gesprochen, bis wir eines Tages auch über seine Streiche und Dummheiten zu reden anfingen. Da mussten wir plötzlich lachen.

Manchen Menschen fällt es schwer, über so einen großen Verlust zu sprechen.

Stimmt, das verstehe ich auch. Die Helli und ich können so gut miteinander reden, weil wir unser ganzes Eheleben gemeinsam verbringen durften. Das ist eine Gnade, die nicht jedem zuteil wird. Wir haben zuerst jahrelang als Hüttenwirte gearbeitet, waren sommers und winters auf den Schutzhütten in den Bergen. Diese Hütten waren unser Zuhause. Wir waren auf Gedeih und Verderb aufeinander angewiesen.

Später haben Sie die Sendung „Klingendes Österreich“ des Österreichischen Rundfunks moderiert.

Auch da war die Helli immer dabei. Die Vorbegehungen der Schauplätze für die Sendung haben wir immer gemeinsam gemacht, und beim Dreh stand sie im Hintergrund und schaute zu.

Der Schlaganfall hat Ihr Leben und das Ihrer Frau sehr verändert. Wie gehen Sie damit um?

Inzwischen kümmert sich eine Pflegerin um die Helli, weil ich es nicht mehr bewältigen kann. Aber bis vor einigen Wochen habe ich die Pflege der Helli mehr oder weniger allein gemacht. Das hat mich viel Substanz gekostet, auch Körpergewicht. Aber ich habe es als Selbstverständlichkeit empfunden. Wobei mich der Zustand von der Helli am Anfang sehr erschreckt hat. Ich war dem Schicksal gegenüber beleidigt, dass es die Helli so schlägt. Dass ihr so etwas widerfahren kann.

Wie ging es nach dem ersten Schock weiter?

Die Pflege wurde zur Routine, und irgendwann zur Ehrenpflicht.

Wie meinen Sie das?

Ich bin dem Herrgott dankbar, dass er mir diese Pflicht zutraut. Es ist nicht jedem gegeben, den Partner zu pflegen. Es gibt Menschen, die sind machtlos, wenn es darum geht, seinem Partner den Hintern zu putzen. Es ist auch schwer vorstellbar. Für mich war es lange schwer vorstellbar. Aber auf einmal, als ich sah, wie wehrlos die Helli war, habe ich es gemacht. Beim ersten Mal etwas distanziert. Aber mit Distanz geht es nicht. Da habe ich mich daran erinnert, dass unsere Körper sich immer sehr nahe waren. Warum sollten sie es in dieser Situation nicht auch sein? Und dass die Helli meine Hilfe annahm, dass sie sich das gefallen ließ, ohne Scham – das war ein großer Moment.

Hat das Ihren Blick auf Ihre Frau verändert?