Zusammenhalt liegt in der Luft: Die einstigen Konkurrenten Annegret Kramp-Karrenbauer und Friedrich Merz werben bei einer Wahlkampfveranstaltung für Europa – und eine geeinte CDU. Doch welche Rolle kann und will Merz darin spielen?
Ein bisschen schlauer ist man schon nach eineinhalb Stunden. Natürlich hat Annegret Kramp-Karrenbauer keine Kabinettsliste vorgelegt, hat nicht gesagt, was sie Friedrich Merz für einen Posten geben will, wenn sie denn eines Tages Bundeskanzlerin wird. Hat rein gar nichts Konkretes gesagt, was ihre Zukunft angeht. Das war von dem ersten gemeinsamen öffentlichen Auftritt der CDU-Vorsitzenden und des ihr bei der Wahl zu diesem Amt vor vier Monaten nur knapp unterlegenen CDU-Mannes und Anwalts in dessen sauerländischer Heimat nicht zu erwarten gewesen. So funktioniert Politik nicht. So etwas wird im allerkleinsten Kreis besprochen, wenn es soweit ist.
Und doch ist etwas zu bemerken. Eine Dreiviertelstunde spricht Kramp-Karrenbauer, die Saarländerin. Mit ein paar kleinen Späßen fängt sie an, dass etwa Sauerländer und Saarländer gerne Lappen um ihre Fußmatten legen, damit diese nicht so schnell abgenutzt werden. „Lieber Friedrich“ nennt sie den einstigen Konkurrenten bei der Vorstandswahl. Doch vor allem ist es eine Rede, die immer ernster wird. Am Ende fordert Kramp-Karrenbauer geradezu flehend und mit mahnendem Blick auf den Brexit, alle und eben auch die CDU müssten für Europa kämpfen, damit spätere Generationen nicht fragten, was die jetzt Verantwortlichen denn getan hätten, um ein Auseinanderfallen Europas zu verhindern. Sie spricht mit einer Inbrunst, die man bei ihrer Vorgängerin im Parteivorsitz, Bundeskanzlerin Angela Merkel, selten erlebt hat. Da spricht am Freitagabend eine CDU-Vorsitzende, als könne sie es gar nicht abwarten, über dieses Amt hinaus Verantwortung für das Land zu übernehmen.
–>
Eng stehen die Tische in der Schützenhalle, für einen Gutteil der in Richtung einer vierstelligen Größenordnung gehenden Besucherschar konnten nur noch Stuhlreihen aufgestellt werden. Viele der Gäste sind Männer, die ihren sechzigsten Geburtstag schon hinter sich haben dürften. Eine reine Männerveranstaltung ist es gleichwohl nicht, viele Frauen sind gekommen, viele junge Menschen. Er sei hier, weil er sich für Politik interessiere, sagt ein Mann, der berichtet, er wähle zwar die CDU, habe jedoch kein Parteibuch. Kramp-Karrenbauer scheint nicht sein Hauptinteresse zu gelten. „Aber auch.“ Merz? Ja, natürlich, der komme ja von hier. Er klingt nicht so, als interessiere er sich für Gerüchte über Ministerposten.
Die Sympathien sind klar verteilt
Merz selbst hat sich schon vor der Veranstaltung in Eslohe bemüht, die Erwartungen zu dämpfen. „Ich fürchte, Sie werden am Ende enttäuscht“, hatte er der „Westfalenpost“ gesagt. Der Abend gehöre der CDU-Vorsitzenden und dem nordrhein-westfälischen Spitzenkandidaten für die Europawahl, Peter Liese. Merz kündigte an, nichts anzukündigen hinsichtlich seiner persönlichen Zukunft. Ebenso versprach er, nichts zu Bundeswirtschaftsminister Altmaier zu sagen. Der steht gerade in der Kritik aus Unternehmerkreisen.
Friedrich Merz hat seit seinem knappen Scheitern beim Versuch, CDU-Vorsitzender zu werden, mehrfach seine Bereitschaft bekundet, Bundesminister zu werden. Angesichts seiner beruflichen Tätigkeit ist der Gedanke nicht abwegig, an das Wirtschaftsressort zu denken. Auf der Bühne in seiner Heimatregion hält er sich in seiner zwölf Minuten dauernden Rede daran, nichts Konkretes zu seinen Zukunftsplänen zu sagen. Aber er bedankt sich sehr freundlich bei der „lieben Annegret“ für die Zeit, als die beiden nebst Bundesgesundheitsminister Jens Spahn sechs Wochen um den CDU-Vorsitz rangen, bevor sie gewann.
Ein kleines bisschen Wehmut kam noch zum Vorschein, als Merz zur Erheiterung des Publikums sagte, er habe sich auch einen anderen Ausgang der Vorstandswahl vorstellen können. Dann aber: „Ich möchte, dass die CDU, ich möchte, dass Annegret Kramp-Karrenbauer als Vorsitzende erfolgreich ist. Dazu möchte ich beitragen.“ Merz bekam kräftigen Applaus. Doch als die Vorsitzende mit ihrer Rede fertig war, war der Beifall noch deutlicher, und viele im Saal erhoben sich.