Finanzen

Nach der EZB-Entscheidung: Das Jubeln und Wehklagen der Kurzsichtigen

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Blick auf die Dax-Tafel an der Frankfurter Börse.

Der deutsche Aktienmarkt zuckte am Donnerstag erst kurz nach oben, dann ging es umso stärker abwärts. Grund waren die Verlautbarungen der Notenbank. Dabei hätten sie niemanden überraschen müssen.

Man sollte ja nicht zu schnell „Hurra“ schreien. Diese Erfahrung mussten kurzfristig orientierte Aktienanleger am Donnerstag einmal mehr machen. Nachdem die Europäische Zentralbank (EZB) am Mittag ankündigte, nicht nur die Zinsen für den Euro-Raum bis mindestens zum Jahresende bei 0,0 Prozent zu belassen, sondern auch eine Neuauflage von günstigen Langfristkrediten für Geschäftsbanken in Aussicht stellte, „jubelten“ die Anleger – zumindest lautete manche Meldung so, obwohl Jubelrufe nirgends zu hören waren.

Stattdessen drückte sich der „Jubel“ in einer Wende der Aktienkurse aus. Der Standardwerteindex Dax, der bis dahin leicht im Minus gelegen hatte, verzeichnete ebenso leichte Aufschläge von 0,3 Prozent.

Doch es hatte sich bald ausgejubelt und stattdessen war eher etwas Geld ver-jubelt worden. Rund eine halbe Stunde später waren die virtuellen Freudenrufe verklungen. Der Dax rutschte mit einem Abschlag von 0,9 Prozent tiefer ins Minus als zuvor am Donnerstag.

Die Jubel-Börsianer hatten nicht auf die Pressekonferenz gewartet, wie dies im geldpolitischen Geschäft erfahrene Anleger eigentlich tun sollten. Aber wenn es eben nur darum geht, am schnellsten zu sein.

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Denn auf der Pressekonferenz lieferte die EZB mehr Anlass zu „Oh weh“- als zu „Hosianna“-Rufen. Denn die Zentralbank senkte ihre Wachstumsprognose für die Euro-Zone deutlich. Für 2019 rechnen sie nun mit einem Anstieg des Bruttoinlandsprodukts von 1,1 Prozent, nachdem sie noch im Dezember mit 1,7 Prozent gerechnet hatten. Für 2020 sagen sie 1,6 statt 1,7 Prozent voraus.

Schon vorher hatten Experten gewarnt, dass die neuen Maßnahmen der Zentralbank ein Alarmsignal seien. „Wenn die EZB nicht mit einer erheblichen Abkühlung rechnen würde, würde sie nicht so drastisch auf die Bremse treten“, sagte Fondsmanager Thomas Altmann vom Vermögensverwalter QC Partners.

Hart trifft es den Euro, der auf aktuell 1,1237 Dollar abwertet. Gegen Mittag war die Gemeinschaftswährung noch mit 1,132 Dollar gehandelt worden. Wieder scheinen es vor allem ausländische Anleger gewesen zu sein, die rasch zugriffen und ebenso schnell deutsche Aktien wieder fallen ließen. Der M-Dax der mittelgroßen Werte konnte nur sein Minus vorübergehend eindämmen. Gleiches gilt dementsprechend für den marktbreiten F.A.Z.-Index. Der S-Dax der kleinen Werte blieb sogar fast unbeeindruckt. Er behielt das deutliche Minus im Wesentlichen bei, mit dem er schon in den Tag gestartet war.

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Wer langfristig investiert, sollte eigentlich schon auf eine schwächere europäische Wirtschaft vorbereitet gewesen sein, denn es gab Anzeichen genug wie einen fallende Ifo-Geschäftsklimaindex, der den schlechtesten Wert seit vier Jahren erreicht hat. Auch der europäische Einkaufsmanagerindex war schon im Februar unter 50 Punkte und damit in rezessives Terrain gefallen, nachdem er seit Ende 2017 von einem 10-Jahres-Rekord kontinuierlich gefallen war. Jetzt hat er das tiefste Niveau seit Ende 2013 erreicht.

Insofern gab es zum Jubeln schon vor der Pressekonferenz keinen Anlass – und nach ihr auch nicht zum Wehklagen, denn so überraschend kommt die Senkung der Wachstumsprognosen nun wirklich nicht. Aber es kommt eben immer auf die Sichtweise an. Wer über den heutigen Tag nicht hinausschaut, hat jeden Tag Grund zum Jubeln oder zum Wehklagen – oder eben zu beidem. Und das macht das Leben als Börsianer vielleicht auch interessanter.