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Sennheiser Orpheus modifiziert: Runderneuerung nach Noten

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Der modifizierte Orpheus

Seit 25 Jahren veredelt Michael Swoboda HiFi-Geräte. Jetzt hat er sich den legendären Kopfhörer Orpheus von Sennheiser vorgenommen.

Er war der teuerste, aufwendigste und feinste Kopfhörer seiner Zeit – und er trug einen großen Namen: Hersteller Sennheiser nannte ihn Orpheus – nach jener Lichtgestalt der griechischen Mythologie, die mit ihrem betörenden Gesang Pflanzen, Tiere und sogar Götter zu Tränen rührte. Nicht weniger als 19 500 Mark kostete das Prachtstück anno 1991, als Sennheiser begann, es in einer limitierten Auflage von 300 Exemplaren zu fertigen. Heute wird der musikalische Oldtimer zu Liebhaberpreisen von mehr als 25.000 Euro gehandelt.

Dass Sennheiser mit dem Modell HE 1 im vergangenen Jahr einen kongenialen Nachfolger aus der Taufe hob, hat an der Beliebtheit des großen Vorbilds nichts geändert. Jetzt hat sich Michael Swoboda der High-End-Ikone angenommen – und wir haben ihn besucht, um das Ergebnis seiner Arbeit zu goutieren. Denn Swoboda ist in der Wohlklangszene eine feste Größe: Seit 25 Jahren modifiziert der Ingenieur und HiFi-Perfektionist aus Essen solide Seriengeräte, um sie auf spektakuläres Klangniveau zu trimmen.

Den Hörer selbst, der nach dem elektrostatischen Prinzip arbeitet, lässt Swoboda unbearbeitet. Swobodas Engagement gilt der Steuerelektronik, die das tönende Eingangssignal verstärkt und es auf das für Elektrostaten passende Spannungsniveau hebt. Sie steckt in einem heute etwas barock anmutenden verchromten Gehäuse mit dekorativen Wangen aus Propellerholz. Diesen Baustein zerlegt Swoboda komplett und baut ihn nach allen Regeln der Kunst wieder auf – mit Bauteilen, die sich nicht nur messtechnisch, sondern auch in langwierigen Hörvergleichen als überlegen qualifizieren.

Gegen Drahtverbindungen aus reinem Silber

Das gilt zum Beispiel für die Netzsektion: Hier ersetzt er die Halbleiterdioden durch extrem schnelle Exemplare, und die Siebkondensatoren müssen feineren Versionen weichen, um perfekt geglättete Gleichspannungen zu entlassen. Silberne Anschlusskontakte sorgen für höchste Leitfähigkeit. In den Signalwegen tauscht Swoboda sämtliche Widerstände aus – zugunsten von nicht magnetischen Typen, die gegen induktive Einflüsse komplett immun sind. Alle Signalverbindung hält Swoboda so kurz wie möglich.

So baut er die Eingangsstufe komplett um: Ein Relais, das zwischen analogem und digitalem Eingang umschaltet, entfällt, ebenso wie die gesamte Digital-Analog-Wandlerstufe: Diese Baugruppe auf ein adäquates Niveau zu heben hätte, sagt Swoboda, unrealistischen Aufwand erfordert. Alle Signalleitungen tauscht Swoboda gegen Drahtverbindungen aus reinem Silber, die obendrein noch mechanische Beruhigung erfahren: Dämpfungsmaterial, das wie Knetmasse aussieht, wird überall dort plaziert, wo Vibrationen entstehen könnten.

Die sechs Röhren auf dem Oberdeck des Verstärkers tauscht Swoboda gegen NOS-Typen aus (das Kürzel steht für New Old Stock, es handelt sich also um unbenutzte Röhren aus alter Fertigung). Sein Lieferant kombiniert die einzelnen Exemplare nicht nur nach einem Punktekatalog für messtechnische Spezifikationen, sondern auch nach dem Ort ihrer Fertigung. Und weil auch das Auge mithört, poliert und restauriert Swobodas Team sämtliche Chromteile und die Holzwangen, damit die Maschine nach der Elektronikkur wieder blitzt wie neu.

Die gesamte Überarbeitung kostet 6900 Euro. Was bekommt man dafür – neben einem ganzen Arsenal an kostspieligen Materialien? Immerhin macht schon die Standard-Version ihrem Namen alle Ehre, arbeitet sie doch musikalische Details wie mit einem Mikroskop heraus und verpackt jedes Tönchen wie in eine luftige Hülle. Was lässt sich da noch verbessern? Es ist, so der erste Eindruck, vor allem die Räumlichkeit der Abbildung: Jedes Instrument, jede Stimme positioniert sich noch deutlich genauer im Raum. Es sind aber auch, und das ist noch weit eindrucksvoller, die Ein- und Ausschwingvorgänge: Das Nachschwingen einer angeschlagenen Klaviersaite etwa endet nicht mehr irgendwann abrupt – es löst sich ganz allmählich in Luft auf, ohne Rauhigkeit, ohne Bruch.

Die Musik atmet, und das macht den Zauber wirklich kompromissloser Wiedergabe aus. Die Überlegenheit der Modifikation wird geradezu überdeutlich, wenn man auf die unbearbeitete Version zurückschaltet: Dann nämlich erscheint das gesamte Klangbild immer noch korrekt, aber doch auch deutlich flacher und härter. So lebt der Orpheus nach der Klangkur richtig auf- sein Namensgeber hätte daran seine helle Freude.