Medizin & Ernährung

Reprogrammierte Zellen: Der Code für junge Haut

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Joachim Müller-Jung

Wie neu – so lautet das Versprechen, das hinter vielen Schönheitsbehandlungen steckt. Oft bleibt es Flickwerk. Zellforscher testen ein Heftpflaster für echte Hautverjüngung.

DGTM – diese vier Buchstaben stehen für ein Experiment, das schnell viele Freunde gewonnen hat. Im „Billionärsclub“ von Silicon Valley zum Beispiel, wo aus Programmierern über Nacht Millionäre werden, und wo man vom Leben gar nicht genug kriegen kann, weshalb man am liebsten per Algorithmus dafür sorgen würde, dass das Ablaufdatum für die eigene Existenz und der Liebsten komplett entfällt, in diesem Kreis wird man sich den Code genau einprägen. Die vier Buchstaben sind die Kürzel für vier biochemische Schlüsselmolelüle, sogenannte Transkriptionsfaktoren, und sie lassen sich nutzen wie eine algorithmische Befehlskette im Genom: Die Zellen werden biochemisch umprogrammiert.

Bekanntgemacht hat diesen biodigitalen Code Juan Carlos Izpisua Belmonte, ein bekannter Stammzellforscher vom Salk Institute in La Jolla. Belmonte hat in seinem Labor die Reprogrammierkunst der Digitalpioniere quasi auf unser wichtigstes Organ übertragen: die Haut. Jenes Organ, das uns im intakten Zustand einhüllt in einen lebendigen Schutzpanzer und zugleich als Schaufenster unserer Eitelkeiten dient. Von der gesunden Haut hängt unser Leben ab, von ihrer Jugendlichkeit oft der ganze Rest.

Zellen in wenigen Tagen umgewandelt

Belmonte ist ein ausgebildeter plastischer Chirurg, er weiß genau, welche Rolle das Aussehen der Haut spielt. Aber selbstverständlich will er sein Experiment, über das er jüngst in der Zeitschrift „Nature“ berichtete, nicht als Einladung für die Schönheitschirurgie verstanden wissen. Sein Ziel ist ein Durchbruch, auf den die Medizin seit Jahrzehnten sehnlichst wartet: die Haut erneuern, und zwar möglichst schnell, in Tagen, vielleicht Stunden. Es geht darum, Wunden zu heilen, bevor sie zur Lebensgefahr für den Verletzten oder den alten Menschen werden.

Hautverletzungen werden tatsächlich für immer mehr Menschen zum latenten Risiko, weil die Menschen immer älter werden. Gleichzeitig wollen sich immer mehr Ältere äußerlich verjüngen. Beide Bedürfnisse könnte Belmontes Reprogrammiermethode bedienen, wenn das, was ihm mit Mäusen gelungen ist, auf die menschliche Haut übertragbar wird. Jahrelang haben er und seine Kollegen versucht, die schon seit Jahren in der Petrischale erfolgreiche Methode der direkten Reprogrammierung von Zellen in den Körper zu verlagern. Wenn fast jede unserer Zellen außerhalb des Körpers mit ein paar biochemischen Kniffen im Labor verjüngt werden kann, was tatsächlich möglich ist, warum sollte das dann nicht auch dort funktionieren, wo frische Zellen am dringendsten benötigt werden: im reparaturbedürftigen Gewebe selbst.

Entscheidend ist, dass dieses biologische Umprogrammieren exakt abläuft. Vor Jahresfrist hatten Stammzellforscher mit den vier Transkriptionsfaktoren, mit denen der nobelpreisgekrönte Japaner Shinya Yamanaka künstliche „induzierte Stammzellen“ (iPS) in der Petrischale hergestellt hatte, praktisch in jedem Organ einer Maus Frischzellen erzeugt. Unglücklicherweise handelte es sich um Wucherungen, wachstumswütige Teratome, die weder funktional noch kontrollierbar waren. Ein Experimente ohne Muster.

Mit Belmontes Reprogrammiercocktail, der an Bord harmloser Viren in das verwundete Gewebe gespritzt wurde, ließ sich nun immerhin das Umprogrammieren sehr gut kontrollieren. Teratome gab es keine. Stattdessen wurden aus Fettzellen, die in der Haut in großer Zahl eingelagert sind, immer mehr Keratinozyten hergestellt, die als Vorstufe der Hautepithelzellen dienen, wie gewünscht in die Wunde einwanderten und tatsächlich innerhalb von wenig mehr als zwei Wochen klaffende Wunden verschlossen. Eine Fleißarbeit der Stammzellkünstler: Von 55 Transkriptionsfaktor-Kandidaten und 31 Mikro-RNAs, die für die Umprogrammierung der Fettzell-DNA in Frage kamen, wurden nach und nach alle Faktoren ausgeschlossen, bis am Ende die vier essentiellen Stellschrauben – DGMT – übrig geblieben waren.

Das Ergebnis lässt sich sehen. Die regenerierte Haut ist geschichtet und durchblutet wie natürliche Haut. Der Prozess ist zudem, verglichen etwa mit der wochenlangen Anzucht von Ersatzhaut im Labor, erstaunlich effizient. Ob sich damit aber bald tatsächlich jeder Makel narbenfrei beseitigen und gesunde Haut beschleunigt regenerieren lässt, ob man damit vielleicht sogar auch andere Organe verjüngen lassen, wie Belmonte hofft, wird sich erst nach langwierigen Tests und einem klinischen Zulassungsprozedere sagen lassen.

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