
Das italienische Modehaus Prada hat in New York seine „Cruise“-Kollektion vorgestellt. Mit großen Hüten, schweren Mänteln und Brokatstoffen scheint diese für eine Kreuzfahrt in winterliche Gefilde gedacht.
Mitten in der Prada-Modenschau in New York kommt es zu einem Bruch: Knapp drei Dutzend weibliche Models haben schon Neuheiten des italienischen Modehauses vorgeführt, als plötzlich ein Mann in Prada über den Laufsteg geht. Danach sind wieder Frauen dran. Der einzelne Mann scheint etwas verloren. Was sich Miuccia Prada dabei gedacht hat? „Es gibt keinen anderen Grund als Liebe,“ sagt die 68 Jahre alte Chefdesignerin nach der Schau am Freitagabend strahlend. Der junge Mann sei der Freund eines der weiblichen Models und eigentlich nur vorbeigekommen, um „Hallo“ zu sagen. Pradas Assistentin habe vorgeschlagen, ihn in die Show aufzunehmen.
Mit seinem Outfit passt der einzige Mann gut zum Rest der Show. So wie viele seiner weiblichen Kolleginnen trägt er einen riesigen Trapperhut. Die Hüte sind an diesem Abend an etlichen Models zu sehen, ob sie kurze Röcke oder Hosen tragen, einen Mantel oder nur ein T-Shirt. Miuccia Prada sagt, für die Hüte gebe es eine einfache Inspiration. Einer ihrer Söhne habe diesen „unglaublichen Hut“ von einem Freund aus Russland bekommen und sehe großartig darin aus.
Als Teil einer „Cruise“-Show scheinen die Hüte eine etwas kuriose Wahl. „Cruise“ heißt schließlich „Kreuzfahrt“, und traditionell waren die „Cruise“-Kollektionen als Mode für Jet-Setter gedacht, die in der kälteren Zeit des Jahres in wärmere Gefilde verreisen, zum Beispiel auf Luxusdampfern. Einige der neuen Prada-Stücke erwecken eher den Anschein, als wären sie für eine Kreuzfahrt nach Sibirien gedacht. Es gibt dicke Mäntel, schwere Brokatstoffe und lange, aufwendig verzierte Strümpfe.
„Cruise“-Linien zwischen den Jahreszeiten
Das liegt daran, dass sich „Cruise“-Schauen gewandelt haben. Sie zeigen heute breite Kollektionen und sind für viele Häuser zu einer wichtigen Zwischenstation neben ihren beiden Hauptschauen für Frühjahr/Sommer und Herbst/Winter geworden. Auch Chanel, Louis Vuitton, Dior und Gucci zeigen im Mai „Cruise“-Linien. Den Anfang machte in der vergangenen Woche Chanel mit einer Schau im Grand Palais in Paris, die sich tatsächlich am klassischen „Cruise“-Verständnis orientierte und eine riesige Replik eines Kreuzfahrtschiffs als Kulisse hatte. Bei der Prada-Veranstaltung lässt dagegen nur der riesige neue Luxusdampfer „Norwegian Bliss“, der gerade in New York angelegt hat und durch die Fenster zu sehen ist, an Urlaub und Meer denken.
Prada entschied sich, seine Show in seiner amerikanischen Zentrale in New York aufzuziehen. „Es ist ein schönes Gebäude, und wir haben hier noch nie etwas gemacht,“ sagt Miuccia Prada. Es handelt sich um eine ehemalige Klavierfabrik, die das Unternehmen vor knapp 20 Jahren vom Schweizer Architekturbüro Herzog & de Meuron hat umbauen lassen. Die Schweizer, die unter anderem die Hamburger Elbphilharmonie entworfen haben, sind auch für die japanische Zentrale von Prada in Tokio verantwortlich. Sie haben mit Prada auch an einer Inszenierung von Verdis Oper „Attila“ an der Metropolitan Opera gearbeitet, von ihnen kam das Bühnenbild, von Prada die Kostüme. Sie haben sich sogar als Modedesigner versucht und ein Stück zu einer Herrenkollektion von Prada beigetragen, das demnächst in die Läden kommt. Auch die diesjährige „Cruise“-Show haben sie konzipiert.
Die Prada-Zentrale liegt gleich neben einem großen Pferdestall, dessen Tiere für die Kutschenfahrten im Central Park eingesetzt werden. Entsprechend werden die Gäste an diesem Abend von einem intensiven Pferdegeruch empfangen. Schauspieler wie Uma Thurman, Claire Danes, Dakota Fanning und Gary Oldman sind da, ebenso wie Prominenz aus der Modeszene wie Anna Wintour oder Marc Jabobs.
Nach schweren Zeiten ein Schritt nach vorne
Für das italienische Modehaus ist es erst die zweite eigenständige „Cruise“-Show. Damit hofft man wieder einen Schritt nach vorne zu machen. Prada hat schwierige Zeiten hinter sich. 2017 fiel der Umsatz des Unternehmens um zwei Prozent auf 3,1 Milliarden Euro, nachdem es schon im Jahr zuvor ein deutliches Minus gegeben hatte. Besonders schwach lief das Geschäft in Amerika. Dabei wächst der Luxusmarkt insgesamt weiter: Der LVMH-Konzern (Louis Vuitton, Fendi, Dior, Givenchy) legte vergangenes Jahr um 13 Prozent zu. Der Kering-Umsatz wuchs gar um 25 Prozent, vor allem dank der weiter stürmischen Entwicklung bei seiner wichtigsten Marke Gucci, deren Umsatz um sage und schreibe 42 Prozent auf 6,2 Milliarden Euro zulegte.
Patrizio Bertelli, der Ehemann von Miuccia Prada und Vorstandsvorsitzende des Unternehmens, gab deshalb Anfang des Jahres die Losung aus, die „globale Sichtbarkeit der Marke“ zu erhöhen. Vor allem im Blick auf die Millennials hat Prada Nachholbedarf. Während Gucci-Designer Alessandro Michele dank einer großen Affinität zum Digitalen auch die jungen Kunden gut erreicht, fällt das der Prada-Chefdesignerin schwer. Und weil die jugendbewegte Modeszene sich immer gerne an den jüngsten Trend hängt, scheint sich auch die Prada-Begeisterung bei Einkäufern und Journalisten abgekühlt zu haben.
Aber offenbar gibt es Anlass zur Hoffnung auf eine Wende. Prada teilt mit, das Geschäft habe sich zuletzt erholt, und auch an der Börse macht sich Zuversicht breit: Der Aktienkurs ist seit Jahresanfang um fast 50 Prozent gestiegen. Die positive Stimmung soll sich an diesem Abend auch auf die Gäste übertragen. Sie bekommen eine verspielte Show zu sehen, mit knalligen Farben in gewagten Kombinationen und auffällig plazierten Logos. Vieles erinnert an Prada-Kollektionen aus den neunziger Jahren. Und damals ging es für dieses Modehaus schließlich stetig nach oben.
