Mode & Design

Prêt-à-porter: Und das alles für gerade einmal 15 Minuten

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Übergroß im Park: Chanel

Unter den prachtvollen Eichen im Grand Palais offenbart sich etwas Wunderbares: Das Prêt-à-porter zeigt sich von seiner besten Seite – und an den schönsten Orten von Paris.

Pappeln und Eichen im Grand Palais sind eine gute Kulisse fürs Instagram-Zeitalter. Bevor die Schau von Chanel, einer der letzten Höhepunkte des Prêt-à-porter, überhaupt begonnen hat, sind schon Hunderte Gäste-vor-Bäumen-Fotos im Netz. Dabei hat die Inszenierung von Karl Lagerfeld auch historische Dimensionen: „Im Grunde sind das die Bäume von Bissenmoor“, sagt der Designer nach der Schau – und meint das Gut bei Bad Bramstedt, auf dem er seine Kindheit verbrachte. Apropos: „Der Bürgermeister dort hat angefragt, ob man eine Straße nach mir benennen dürfe. Ich habe noch nicht ja gesagt. Aber warum nicht? Es soll nur bitte nicht die Straße zum Friedhof sein!“

So viel biographischer Hintergrund muss sein, wenn man modisch etwas ausdrücken und eine Marke wie Chanel am Laufen halten will. Denn man muss viel Energie und Stilgefühl in eine Kollektion stecken – und woher sonst außer aus Lebenserfahrung könnte der kreative Impuls kommen? Lagerfeld jedenfalls hat genug Energie. Vertraglich verpflichtet haben ihn die Wertheimer-Brüder (die sich stets bedeckt halten, nicht in der ersten Reihe sitzen und ungern auf Instagram erscheinen) zu vier Kollektionen im Jahr, zweimal Haute Couture, zweimal Prêt-à-porter. Lagerfeld aber entwirft zehn Kollektionen pro Jahr – „und zwar nicht, weil ich danach gefragt wurde, sondern auf eigene Initiative“.

Modeschau im öffentlichen Raum

Mit so viel Elan übersteht man auch die Vorwürfe des Umwelt-Dachverbands France Nature Environnement, es sei eine Schande, für eine Modenschau neun bemooste Eichen zu fällen und im Grand Palais aufzustellen. Chanel gab am Mittwoch bekannt, man habe sich beim Kauf der Bäume verpflichtet, 100 neue Eichen in dem Wald pflanzen zu lassen, aus dem die Bäume stammten.

Große Marken müssen ausstrahlen. Yves Saint Laurent nimmt es wörtlich: Tausende Lichter strahlen von einer riesigen schwarzen Box aus in den Himmel. Tagelang hat man den Kasten aufgebaut, tagelang werden sie ihn auch wieder abbauen. So lange steht er hier am Trocadéro herum, direkt vor dem Eiffelturm, für eine Schau von 15 Minuten. Als Saint-Laurent-Designer Anthony Vaccarello seine nun immerhin stark verfeinerte Version von ultraknappen Kleidern gezeigt hat, als die Modeleute die schwarze Box wieder verlassen können, glitzert der Eiffelturm so schön wie zur vollen Stunde. Es ist 20.15 Uhr, aber für den echten Eindruck hat es Saint Laurent tatsächlich geschafft, das stündliche Spektakel am Abend um 15 Minuten verschieben zu lassen. Eine Modemarke! Aber auch diese Modemarke ist eben präsent wie seit dem Tod des Gründers nicht mehr. Wieder einmal ist Saint Laurent im vergangenen Jahr um gut ein Viertel gewachsen. Da muss man auch öffentlich demonstrieren, dass man über Tag und Nacht herrscht.

Paris hat eben auch keine Angst davor, dass der öffentliche Raum von privaten Unternehmen vereinnahmt wird. Im Gegenteil: Niemand kritisiert die Auftritte von Chanel im Grand Palais, von Saint Laurent am Trocadéro, von Givenchy im Palais de la Justice (dem einstigen Sitz des Revolutionstribunals), von Hermès im Lycée Victor Duruy oder von Louis Vuitton im Louvre. Niemandem fällt auf, dass zentrale Gebäude der Kunst, der Bildung oder der Justiz durch Milliardenunternehmen symbolisch umgewidmet werden von Orten allgemeinen Interesses zu Stätten privaten Konsumdrangs. Das hat einen Grund: Die Marken werden wie öffentliches Gut behandelt, wie wahre Werte der Fünften Republik.