Gesellschaft

„Deniz zum Lächeln bringen“

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Dilek Mayatürk-Yücel, die Frau des inhaftierten Journalisten Deniz Yücel, im Juni in Berlin bei der Verleihung des Theodor-Wolff-Preises für ihren Mann

Einmal die Woche darf Dilek Mayatürk-Yücel ihren Ehemann Deniz Yücel im türkischen Gefängnis besuchen. Sie kritisiert, dass der Journalist immer noch in Isolationshaft ist. Es gibt aber auch gute Neuigkeiten.

Frau Mayatürk-Yücel, Sie besuchen Deniz Yücel einmal die Woche im Gefängnis. Gibt es Neuigkeiten?

Ja, man hat angefangen, Deniz meine Briefe zu übergeben. Ich habe bis heute nur einen Brief von Deniz erhalten, nämlich den, den er am 100. Tag seiner Haft geschrieben hat. Meine Bitte: Schreiben Sie Deniz! Im Gefängnis gibt es eine Kommission, die Briefe liest, bevor sie sie aushändigt. Daher versuchen Sie bitte, soweit möglich auf Türkisch zu schreiben. Da diese Kommission keine Fremdsprache beherrscht, wird das als Grund genannt, Deniz die Briefe nicht auszuhändigen. Ich bin sicher, dass jeder Freunde, Bekannte, Nachbarn oder Arbeitskollegen hat, die Türkisch können.

Die Briefe müssen auch nicht lang sein. Außerdem ist ja die Technologie heutzutage für so etwas nützlich. Suchen Sie im Wörterbuch oder fragen Sie Google! Schlechtes Türkisch oder Grammatikfehler sind für einen Menschen in Isolationshaft unwichtig. Im Gegenteil, sie werden Deniz zum Lächeln bringen.

Sie sprechen die Isolation an. Wie geht es Deniz Yücel denn in der Untersuchungshaft?

Ich finde, Deniz ist physisch und psychisch in sehr gutem Zustand. Deniz ist jemand mit großer Lebensenergie. Er betrachtet das Leben stets mit einem Lächeln. Das heißt aber nicht, dass er mit der aktuellen Situation zufrieden ist. Hier geht es um einen Menschen, der seit mehr als vier Monaten in Isolationshaft sitzt, ganz alleine. Er ist alleine, wenn er Sport macht, und alleine in seiner Zelle. Ihm wird kein Kontakt zu anderen erlaubt. Er darf auch keine anderen Häftlinge treffen. Selbst bei der offenen Visite wird erwartet, dass ich mich nicht neben ihn setze, sondern gegenüber von ihm.

Man darf nicht vergessen, dass Isolation eine Verletzung der Menschenrechte ist. Die Folgen machen sich auf lange Sicht beim Betroffenen bemerkbar. So verändert sich etwa die Empfindlichkeit gegenüber Geräuschen. Es kann schwieriger werden, sich zu konzentrieren, und das Sprechen kann einem schwerfallen.

Sie haben im Gefängnis geheiratet und Ihren Ehemann noch nie in Freiheit erleben dürfen, von Flitterwochen ganz zu schweigen. Wie schwierig ist die Situation für Sie?

Sie haben den Menschen, der für mich am wertvollsten ist, alleine hinter steinerne Mauern gesperrt. Ich denke, man kann sich vorstellen, wie ich mich fühle. Ich suche Wege, um diese Zeit mit möglichst wenig Schaden hinter mich zu bringen. An meinem Geburtstag wird Deniz nicht bei mir sein. Ich bin traurig darüber, dass wir in einem grandiosen Teil der Erde nicht alle friedlich und mit gegenseitigem Verständnis zusammenleben können.

Ich werde es nicht zur Normalität erklären, dass uns Tage gestohlen werden, die ja unwiederbringlich sind. Ich werde mich nicht damit abfinden. Ja, es werden noch lange Jahre in Freiheit vor uns liegen, aber das ändert nichts daran, dass uns bisher vier Monate unseres Lebens gestohlen wurden. Es ändert auch nichts an der Tatsache, dass ich meinen Job in München Hals über Kopf gekündigt und meine Wohnung aufgegeben habe, um dauerhaft nach Istanbul zurückzukehren.