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Die Wiener Börse ist in Partylaune

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Die Börse in Wien

Der ATX ist so viel wert wie zuletzt im Jahr 2008. Vor allem drei Unternehmen stechen heraus.

Auf dem Wiener Parkett haben derzeit die Bullen das Sagen. Die an der Wiener Börse notierten Unternehmen sind wieder so viel wert wie zuletzt vor dem Zusammenbruch der amerikanischen Investmentbank Lehman-Brothers vor neun Jahren mit den darauf folgenden Schockwellen. Die Marktkapitalisierung der im ATX notierten Unternehmen lag nach Angaben der Börse per Ende Juni in Summe bei 114,34 Milliarden Euro und damit auf dem höchsten Stand seit dem Jahr 2008.

In den zurückliegenden zwölf Monaten ist der Börsenwert der Unternehmen damit um rund die Hälfte gestiegen – und dies obwohl es in den vergangenen Jahren eine Reihe von Rückzügen gab und kaum Neuzugänge. Ende Juni des Vorjahres – und damit kurz nach der Brexit-Abstimmung, welche die Börsen europaweit in Mitleidenschaft gezogen hatte – lag die Marktkapitalisierung bei 78,28 Milliarden Euro.

Flughafen Wien legte stark zu

Das spiegelt sich in der Entwicklung des ATX: Der Leitindex zog in den ersten zwei Quartalen um über 18 Prozent an. Bezieht man die ausgeschütteten Dividenden ein, durften sich die Anleger sogar über einen Gewinn von über 21 Prozent freuen. Aktien des Flughafen Wien bilanzierten mit einem Plus von über 42 Prozent. Die Titel des oberösterreichischen Faserherstellers Lenzing legten als zweitstärkster Wert im Leitindex um 36,4 Prozent zu und die Papiere der OMV verzeichneten einen Zuwachs von 35,4 Prozent.

Der Ausblick auf das zweite Halbjahr fällt aus Sicht der Marktbeobachter optimistisch aus. Der ATX sei in diesem Jahr bereits klarer internationaler Outperformer, findet der Chefanalyst der Erste Group in Wien, Fritz Mostböck. Er sieht moderat positive Perspektiven für die nächsten zwei Quartale. Erste Group und Raiffeisen Bank International (RBI) sehen einen ATX-Zielwert zum Jahresende von 3250 Punkten. Das wäre ein Plus von knapp 4,1 Prozent. Selbst dann ist der ATX aber noch immer meilenweit von seinem Höchststand von 5000 Punkten entfernt. Grund dafür ist, dass die Liquidität vergleichsweise gering ausfällt und in Wien vor allem mittlere und kleine Unternehmen gelistet sind. Das führt dazu, dass die Ausschläge stärker ausfallen als an größeren Börsen. Bei einem Aufschwung geht es stärker hinauf und bei einem Abschwung rasanter hinunter.

„Die Region ist ein relativ stabiler Faktor“

Die fundamentale Bewertung bleibt aus Sicht der Marktbeobachter in Ordnung aber falle nicht mehr sehr günstig aus – wegen Dividendenrenditen und einer attraktiven Renditeprämie bei Staatsanleihen. Punkten kann die Wiener Börse vor allem bei ausländischen institutionellen Investoren. Das Handelsvolumen zieht nach einer Konsolidierung im Vorjahr wieder an – um fast 30 Prozent seit Jahresbeginn. Dazu kommt ein intaktes positives Wachstumsdifferenzial der mittel- und osteuropäischen Länder und ein Euroraum, der sich politisch dank der Wahlergebnisse in Frankreich und den Niederlanden politisch gefestigt habe, heißt es.

Die postkommunistischen Länder in Zentral- und Mitteleuropa sind demnach imstande, weiterhin überdurchschnittlich nachhaltig zu wachsen. Erste Group prognostiziert das Wirtschaftswachstum der Zentral- und Osteuropäischen Staaten mit 3,7 Prozent, das der Eurozone aber nur mit 1,9 Prozent. Dies sei verglichen mit anderen Schwellenländern ein wirtschaftlicher Stabilitätsgarant und das solide Wachstum falle über die Krise hinweg nachhaltig aus, argumentiert Mostböck, der auch die vergleichsweise geringe Verschuldung ins Treffen führt. „Die Region ist ein relativ stabiler Faktor innerhalb Europas geworden.“

Abschlag von mehr als 10 Prozent

Das stabile Wachstum in Mittel- und Osteuropa wirkt sich wiederum positiv auf die Wiener Börse aus: Schließlich erwirtschaften ATX-Firmen beträchtliche Teile ihrer Erträge in diesem Raum. In Zentraleuropa ist der Aufschwung breit aufgestellt, getragen durch den inländischen Privatkonsum, zum Teil auch durch die Bruttoanlageinvestitionen und auch durch Exporte, argumentiert die Raiffeisen Bank International. Der Arbeitsmarkt entwickle sich gut. Beschäftigungszuwachs, Lohnsteigerungen und relativ moderate Inflationsraten würden auch den privaten Konsum anschieben.

Das Potential österreichischer Unternehmen liegt aber nicht nur in dieser Region sondern auch in globalen Marktnischen – Beispiele dafür sind Andritz, Semperit, Lenzing. Auch solche Unternehmen würden zur robusteren Entwicklung der Wiener Börse beitragen. Ein weiterer Grund für die positiven Aussichten seien die verbesserten Aussichten für Finanzwerte – Banken und Versicherungen, die in der ATX-Gewichtung eine große Rolle spielen, findet Bernd Maurer, Chefanalyst der Raiffeisen Centrobank in Wien.

Die Bewertungen sind aus seiner Sicht in Österreich angemessener als an globalen Leitbörsen. Aktuell sei der ATX mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von 13,6 für 2017 und von 12,7 für 2018 bewertet, was RBI für angemessen hält und im Vergleich zum breiten europäischen Markt einem Abschlag von mehr als 10 Prozent entspricht.