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Wal-Mart-Aktionäre zittern vor Amazon

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Eine Tüte von Whole Foods: Die geplante Übernahme des Ökolebensmittelhändlers wird offenbar immer teurer.

Die Kurse von Wal-Mart sanken rapide – und erholten sich bislang nicht mehr: Spätestens seit dem geplanten Kauf Amazons’ von Whole Foods sind die Inhaber von Lebensmittelketten gewarnt. Börsianer spekulieren auf eine Gegenofferte.

Der Online-Einzelhändler Amazon, in diesem Jahr einer der Spitzenwerte der amerikanischen Börsen, ist an der Wall Street immer für eine positive Überraschung gut – und für Furchtanfälle bei den Aktionären der Konkurrenz. Die Ende vergangener Woche von Amazon angekündigte Übernahme der amerikanischen Bio-Supermarktkette Whole Foods Market für knapp 14 Milliarden Dollar war solch ein Fall. Der Aktienkurs von Amazon reagierte mit Aufschlägen von mehr als 2 Prozent.

Anleger unterstellen Amazon beim Vorstoß in den schwierigen Lebensmitteleinzelhandel offenbar gute Erfolgsaussichten. Der Aktienkurs von Whole Foods tendiert sogar über dem von Amazon gebotenen Preis. Anleger scheinen mit einer Gegenofferte eines Konkurrenten und einer möglichen Nachbesserung des Kaufangebots durch Amazon zu rechnen.

In der Supermarkt-Branche löste die Übernahme von Whole Foods jedenfalls Schockwellen aus. Der Aktienkurs der größten amerikanischen Warenhauskette Wal-Mart Stores sackte am Freitag um fast 5 Prozent ab und erholte sich am Montag und im frühen Handel am Dienstag nur minimal von diesen Verlusten. Wal-Mart macht mehr als die Hälfte seines Jahresumsatzes mit Nahrungsmitteln und Haushaltswaren und ist damit der größte amerikanische Lebensmittelhändler.

Eine gesamte Branche hat das Zittern

Die Branche steht bereits jetzt wegen harten Preiskampfs unter Druck. Der Markteintritt eines Giganten wie Amazon, der bereits andere Branchen wie den Buchhandel aufgewirbelt hat, verspricht daher nichts Gutes. „Für die anderen Lebensmittelhändler ist die Transaktion potentiell furchterregend“, kommentierte Neil Saunders, geschäftsführender Direktor der Marktforschungsgesellschaft Global Data Retail. „Amazon begibt sich direkt auf das Feld der traditionellen Supermärkte und ist eine viel größere Bedrohung.“

Die Aktienkurse von Wal-Mart-Konkurrenten wie Target und Costco rauschten in den Tagen danach mehr als doppelt so stark nach unten. Der Kurs von Target ermäßigte sich am vergangenen Freitag um mehr als 10 Prozent, der Kurs von Costco um mehr als 9 Prozent. Am Montag gaben beide Titel weiter um jeweils 2 Prozent nach und eröffneten auch am Dienstag schwächer. Der Kurs der größten reinen amerikanischen Supermarktkette Kroger fiel am Freitag um fast 15 Prozent und erholte sich in den Tagen darauf nur leicht.

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An der Wall Street wird die Übernahme von Whole Foods vor allem als Angriff Amazons auf Wal-Mart interpretiert, dem auch die deutschen Ketten Aldi und Lidl Konkurrenz machen wollen. An der Börse gilt Amazon aber weiter klar als die Aktie der Zukunft. Mit einem Jahresumsatz von 135 Milliarden Dollar kommt der Konzern auf einen Börsenwert von 480 Milliarden Dollar. Bei Wal-Mart ist es umgekehrt: Der Traditionskonzern machte im vergangenen Jahr 485 Milliarden Dollar Umsatz, ist an der Börse aber nur 230 Milliarden Dollar wert.

Wal-Mart & Co. wappnen sich mit Geschäftserweiterungen

Dennoch ist der Ausgang des Kampfs keineswegs klar. Bisher haben Unternehmen noch keinen profitablen Weg gefunden, frische Lebensmittel an Verbraucher zu liefern, die ihr Obst und Gemüse immer noch lieber selbst aussuchen. Amazon hatte mit Amazon Fresh vor 10 Jahren einen eigenen Lieferdienst gestartet. Insgesamt entfallen schätzungsweise nur 2 bis 5 Prozent der gesamten Branchenumsätze auf Online-Lieferungen. Analysten rechnen aber damit, dass der Marktanteil bis Mitte des kommenden Jahrzehnts auf ein Fünftel steigen könnte.

Wal-Mart ist zudem nicht tatenlos und investiert seinerseits in E-Commerce. Am vergangenen Freitag, fünf Minuten nachdem Amazon die Whole-Foods-Übernahme ankündigte, gab Wal-Mart den Kauf des Online-Herrenausstatters Bonobos für 310 Millionen Dollar bekannt. Im vergangenen Jahr akquirierte Wal-Mart Jet.com für 3,3 Milliarden Dollar und übertrug dessen Gründer Marc Lore die Verantwortung für das Online-Geschäft in den Vereinigten Staaten. „Ich fühle mich mit unseren 4700 Warenhäusern großartig positioniert“, sagte Lore dem „Wall Street Journal“.

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Wal-Mart hält die Warenhäuser für einen klaren Wettbewerbsvorteil und suggeriert, dass es für einen traditionellen Einzelhändler einfacher sei, eine Präsenz im Internet aufzubauen, als für einen Online-Händler ein Netz von Warenhäusern. Wal-Mart will seine Warenhäuser stärker nutzen, um Online-Aufträge zu versenden. Der Konzern testet, ob Mitarbeiter Waren auf dem Weg nach Hause ausliefern können. An der Börse kamen die Pläne von Wal-Mart, Milliarden von Dollar in den Ausbau des Online-Geschäfts zu investieren, aber nicht gut an.

460 physische Standorte auf einen Schlag für Amazon

Warren Buffett verkaufte 2016 fast alle Aktien von Wal-Mart im Wert von knapp 3 Milliarden Dollar. Er kommentierte die Entscheidungen nicht, äußerte aber sein Bedauern, nicht früh in Amazon investiert zu haben. Mit Whole Foods bekommt Amazon jetzt auf einen Schlag rund 460 physische Standorte – die möglicherweise auch anders genutzt werden können als zur Auslieferung von Lebensmitteln. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass die Übernahme auch vollzogen wird.

Analystin Karen Short von Barclays glaubt, dass ein anderer Käufer auftreten wird, um Whole Foods nicht an Amazon fallen zu lassen. Angesichts eines potentiellen Bieterkampfes hat sie ihr Kursziel für Whole Foods auf 48 Dollar angehoben und kann sich auch vorstellen, dass die Bio-Kette für bis zu 57 Dollar je Aktie verkauft wird. Dieser Preis läge etwa ein Drittel über dem aktuellen Amazon-Gebot von 42 Dollar je Aktie. Zu potentiellen Bietern zählt sie alle Einzelhändler, die Lebensmittel im Sortiment haben.

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