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Influencer lügen nicht

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Hailey Baldwin hat 9,9 Millionen Follower auf Instagram – und warb dort mit diesem Foto für das Festival.

Rapper Ja Rule wollte ein Festival der Superlative organisieren. Bezahlte „Influencer“ machten Werbung, Follower kauften Tickets für bis zu 12.000 Dollar – und saßen dann teilweise ohne Verpflegung auf einer verwüsteten Insel fest.

Es sollte ein Festival der Superlative werden: zwei Wochenenden auf einer exklusiven Insel auf den Bahamas, die irgendwann mal Pablo Escobar gehört haben soll. Jetski und Palmen und Schwimmen mit Schweinen, viel besser als Coachella, und überhaupt: Anreise per Privatjet, Unterbringung in Villen, hochgradig instagram-kompatibel. Eine neue Dimension von Festival. Bis zu 12.000 Dollar hatten manche für ein Ticket bezahlt, um hier Blink 182, Disclosure und Major Lazer zu sehen – und ihrer Gefolgschaft zu zeigen, dass sie sich das locker leisten können.

Die Veranstalter hatten ordentlich „Influencer“ eingekauft, bekannte Gesichter, um das Event im Netz zu bewerben: Auf Fotos räkeln sich Bella Hadid, Hailey Baldwin und Emily Ratajkowski auf dem Sonnendeck einer Yacht vor der Exuma-Inselgruppe auf den Bahamas, wo das „Fyre Festival“ stattfinden sollte. Auch Kendall Jenner warb auf ihrem Instagram-Account dafür, angeblich für 250.000 Dollar. Es gab zwar keine Bilder von der Insel, aber bezahlt hatten die Festivalgänger dann trotzdem per Vorkasse. Influencer lügen nicht.

Und dann kam irgendwie alles ganz anders. Zunächst saßen die meisten Gäste am Donnerstag in Flugzeugen auf dem amerikanischen Festland fest. Das Festival sollte am Abend beginnen. In einem Boeing 737. Es war auch keine Privatinsel, sondern eigentlich nur ein Strand auf der Nebeninsel eines großen Ressorts.

Statt Sterneküche gab es Käsebrot

Statt zu ihren Unterkünften wurden die Gäste zunächst zu einem leeren Strand gefahren, um dort zwischen streunenden Hunden erst mal den Tag über eine kurzerhand einberufene Party zu feiern. Manche waren um fünf Uhr morgens angekommen. Ihr Gepäck wurde in einen Schiffscontainer verladen, der offen herum stand. Statt Sterneküche gab es Käsebrot und Wasser, statt Luxusvillen Zelte – die gleichen Modelle, die die Vereinigten Staaten in Katastrophengebiete schickt, um Menschen erste Hilfe zu leisten. Die wenigen Mitarbeiter, die vor Ort waren, sagten den Leuten „einfach erstmal irgendein leeres Zelt zu finden“, dann sähe man weiter. Weil das „Fyre Festival“ ein „cashless festival“ ist, auf dem man mit elektronischen Armbändern bezahlt, hatte kaum jemand Bargeld dabei. Die Veranstalter baten die Gäste einem Bericht zufolge, pro Person erst einmal 3000 Dollar aufzuladen, der Rest würde dann zurückerstattet.

Es kamen immer mehr Leute. Niemand wusste, wie es weitergeht. Wenige Stunden vor ihrem geplanten Konzert sagten Blink 182 ihren Auftritt ab. Sie könnten „nicht die gewohnte Qualität bieten, die die Fans verdient haben“, teilten sie mit. Am Freitag wurde das Festival für beendet erklärt. Verlassen konnten die Gäste die Insel nicht: Augenzeugen zufolge wurden Dutzende Menschen über Nacht ohne Verpflegung an einem Gate des kleinen Flughafens eingeschlossen, auch die Snack-Automaten wurden abgesperrt. Einige Leute übergaben sich in dem stickigen Raum, manche wurden bewusstlos. Andere saßen einen halben Tag in Flugzeugen fest, die sie verlassen, dann wieder boarden und dann wieder verlassen mussten – die Crew habe ihre Arbeitszeit überschritten und dürfe aus Sicherheitsgründen nicht mehr abheben, hieß es.

Wie konnte es dazu kommen? Organisiert wurde das Festival vom Rapper Ja Rule und Billy McFarland, einem 25 Jahre alten Tech-Unternehmer, der vor allem durch seine unter Beschuss stehende Firma Magnises bekannt wurde, einer Art Vorteilsklub für die digitale Elite. In einem Interview mit der amerikanischen „Vice“ gab McFarland zu, die Festival-Website zunächst aus Neugier aufgesetzt zu haben: „Wir wollten schauen, ob die Leute so etwas interessiert. Und plötzlich hatten wir ein Festival an unseren Hacken.“ Über die logistischen Herausforderungen hatte er sich zu diesem Zeitpunkt noch keine Gedanken gemacht. Es gab weder Trinkwasser noch ein Abwassersystem auf der Insel. „Es fühlte sich an, als würden wir aus dem Nichts eine Stadt hochziehen müssen“, sagte er dem „Rolling Stone“. Sie bauten eine Zeltstadt, mieteten die Flugzeuge, selbst Krankenwagen ließen sie aus New York einfliegen.

„Wir haben das nicht gemacht, um Leute zu betrügen“

Mit den Unwägbarkeiten des Wetters aber hatten sie nicht gerechnet. Am Morgen des Festivals, als die Infrastruktur halbwegs stand, habe ein Sturm alles verwüstet. „Als die ersten Gäste ankamen, konnten wir nicht mal die grundlegende Infrastruktur gewährleisten.“ Flüge verspäteten sich, fast tausend Gäste kamen gleichzeitig an. Man sei auf die Massen nicht vorbereitet gewesen. „Es waren einfach zu viele.“ Rapper Ja Rule sagte in einem Statement, er sei „untröstlich“, dass alles so ausgegangen sei und bat um Verständnis: „Entgegen anderslautender Berichte haben wir das nicht gemacht, um Leute zu betrügen.“

Mittlerweile haben fast alle Festivaltouristen die Insel wieder verlassen können. Das Tourismusministerium der Bahamas ließ verlautbaren, man habe die Veranstalter nach Kräften unterstützt, doch die seien offenbar mit der Organisation einer Veranstaltung dieser Größenordnung vollkommen überfordert gewesen. „Wir waren etwas naiv, als wir dachten, wir könnten das ganz ohne Erfahrung organisieren“, sagte McFarland. „Nächstes Jahr fangen wir früher an.“ Dann soll das „Fyre Festival“ in Amerika stattfinden. Dort, wo es eine funktionstüchtige Infrastruktur gibt – und für alle enttäuschten Besucher: kostenlos.

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