Mode & Design

Krieger in atmungsaktiven Jacken

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Der belgische Designer Tim Coppens vor einem Outfit seiner aktuellen Kollektion.

Der Belgier Tim Coppens ist nicht der bekannteste Designer. Aber weil er die Grenzen zwischen Streetwear, Sportmode und klassischer Schneiderkunst überwindet, vielleicht der zeitgeistigste.

Picobello gekleidete Herren eilen über die Straßen. Sie tragen zum Dreiteiler farblich auf die Strümpfe abgestimmte Einstecktücher und Fedora-Hüte. Oder Sneaker zu floralen Seidenhemden und japanische Raw-Denim-Jeans. Zur Modemesse Pitti Uomo treffen sich die wichtigsten Einkäufer der Welt für Herrenmode in Florenz. Bei Temperaturen knapp über null Grad und Regenfällen im sonnenverwöhnten Italien wünscht sich so mancher „Pitti Peacock“, so heißen die wie Pfaue herausgeputzten Herren im Modesprech, sicher einen Regenmantel mit Kapuze. Aber einen passenderen Anlass als die Pitti, um sich von seiner am besten gekleideten Seite zu zeigen, gibt es für diese Männer eben nicht.

Viele von ihnen strömen später an diesem Januartag zum Ippodromo del Visarno, der florentinischen Galopprennbahn, die am Abend, ohne kraftvoll federnde Rennpferde und das Getöse der Wetteifrigen, eher einem Underground-Club im Industrie-Stil ähnelt. Hier findet eines der Highlights der 91. Pitti Uomo statt: Tim Coppens ist als Gastdesigner eingeladen, seine Kollektion zu präsentieren. Ein wichtiger Meilenstein für den Designer, der schafft, was lange Zeit unmöglich schien: Er verbindet den Tragekomfort und die Funktionalität von Sportmode mit der ästhetik der klassischen Schneiderei. Damit spricht er an diesem kalten Tag auch den stilbewussten Pfauen aus der Seele.

Coppens, gebürtiger Belgier, ist in Antwerpen aufgewachsen und schloss dort 1998 ein Studium an der königlichen Akademie der schönen Künste ab, die auch Größen wie Dries van Noten oder Martin Margiela zu ihren Absolventen zählt. Die Talentschmiede ist ein Kokon der Avantgarde, in dem jeder Designer seine ganz persönliche Handschrift entwickeln soll. An erster Stelle steht das ästhetische Konzept, nicht die Tragbarkeit. Der 41 Jahre alte Coppens hat früh Aufmerksamkeit auf sich gezogen, weil er beides vereint: klassisches Handwerk mit textilen Innovationen und Funktionalität mit modischer Relevanz. Das brachte ihm viel Lob von der Presse ein, außerdem, für einen Jungdesigner, beachtliche Jobs.

Bayrischer Kulturschock mit Anfang zwanzig

Mit Anfang zwanzig zog er nach München und Nürnberg, um für Adidas zu arbeiten und um kurzzeitig auch die jüngere Bogner-Linie „Fire & Ice“ wiederzubeleben. „Das war ein Schock“, sagt Coppens am Morgen vor der Schau im Gespräch mit dieser Zeitung. „Nachdem ich ein Jahr in Barcelona gelebt hatte und mit Dreadlocks auf dem Kopf ankam. Niemand wollte mit mir reden.“ Nach einem Jahr hatte er zwar doch Freunde gefunden und die bayerische Gemütlichkeit zu schätzen gelernt, aber trotzdem verabschiedete er sich nach New York – für den nächsten großen Namen: RLX, die Sportmarke von Ralph Lauren. Nachts und an den Wochenenden arbeitete er an seiner eigenen Kollektion, sparte jeden Cent und lancierte 2011 seine eigene, gleichnamige Marke. Barneys, das tonangebende Luxuskaufhaus in New York, orderte direkt seine erste Herrenkollektion. Internationale Leuchttürme der Mode folgten, wie der Londoner Dover Street Market und Mr. Porter, der einzige relevante Online-Shop für modebewusste Männer.

Coppens spricht heute akzentfreies Englisch, dass er kein Amerikaner, sondern Belgier ist, merkt man vielmehr an seinem Umgang. Er ist, trotz der nahenden Schau an diesem Tag, ruhig, hört gut zu und wirkt von Grund auf sympathisch statt leicht überdreht oder aufgesetzt.