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Die Wutbürger an der Börse besänftigen

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Ein Lob der Aktienanlage: Blackrock-Chef Larry Fink spricht auf der Jahreseröffnung der Deutschen Börse.

Der Blackrock-Chef Larry Fink sieht den Kapitalmarkt als Chance, die Demokratie zu stabilisieren. Auf der Jahreseröffnung der Deutschen Börse gibt es wenig Neues zur geplanten Fusion.

Das Brexit-Votum und die Wahl Donald Trumps zum amerikanischen Präsidenten lässt auch Wall-Street-Größen wie Larry Fink nicht kalt. Der 64 Jahre alte Gründer und Vorstandsvorsitzende des weltgrößten Vermögensverwalters Blackrock befasste sich daher in seinem Gastvortrag zur Jahreseröffnung der Deutschen Börse an ihrem Hauptsitz im Industriegebiet Eschborn-Süd nicht mit sich, der er als möglicher Finanzminister einer Präsidentin Clinton gegolten hatte. Ihn bekümmerte vor allem die tiefe Frustration breiter Wählerschichten, die sich in solchen Wahlergebnissen niederschlägt.

„Viele Arbeiter verlieren ihre Jobs wegen technischen Fortschritts, und sie sehen, wie gleichzeitig besser qualifizierte davon mit steigenden Löhnen profitieren“, sagte Fink am Montagabend vor rund 900 geladenen Gästen aus der Frankfurter Finanzbranche. Die Sorgen dieser Menschen um ihre Familien und um ihr finanzielles Auskommen im Ruhestand bekämen viel zu wenig Aufmerksamkeit.

„Niedrige und negative Zinsen bestrafen Sparer und lassen einen sicheren Ruhestand in immer weitere Zukunft rücken“, sagte Fink, dessen Unternehmen mehr als 5 Billionen Dollar verwaltet. Die Politik und die Ruhestandssysteme auf der ganzen Welt hätten es versäumt, die Beschäftigten darauf vorzubereiten. Die entscheidende Stellschraube zu besseren Verbraucherfinanzen und damit auch einen positiveren Zugang zu Kapitalmärkten und dem erfolgreichen Wirtschaften von Unternehmen sieht Fink in der stärkeren Nutzung der Aktienmärkte.

„Es gibt einen Mangel an finanzieller Kompetenz“

Während der Dax inflationsbereinigt in den vergangenen 25 Jahren um 470 Prozent gestiegen sei, hätten Geldmarktkonten in dieser Zeit eine Rendite von nur 20 Prozent erbracht. In Deutschland sei die betriebliche und die private Altersvorsorge unterentwickelt. „Es gibt einen Mangel an finanzieller Kompetenz“, attestierte Fink und mahnte auch die Politiker. Politik und Unternehmen müssten ihre Verantwortung stärker wahrnehmen, „gerade wenn die Wähler so deutlich über ihre Frustrationen gesprochen haben“.

So hätten Kapitalgarantien einen natürlichen Reiz für die Öffentlichkeit- die schwerwiegenden Konsequenzen und langfristigen Kosten, die für diese Garantien zu bezahlen sind, würden aber nicht erkannt. „Das Ergebnis ist eine stark risikoaverse Vermögensallokation“, sagt Fink. Will heißen – 60 Prozent des Vermögens halten deutsche Sparer derzeit in „Cash“, also in Anlageformen ohne Rendite wie Bargeld oder auf Girokonten. Im Ergebnis schmälere dieses Anlageverhalten nicht nur die Rendite der privaten Altersvorsorge, ein unterentwickelter Kapitalmarkt beschränke auch das Wirtschaftswachstum, da Unternehmen der Zugang zu Kapital erschwert werde und eine übermäßige Abhängigkeit von Banken und Versicherern geschaffen werde.

Die geplante Fusion der Deutschen Börse und der London Stock Exchange bezeichnete der Chef von Blackrock, einem der größten Aktionäre beider Unternehmen, als wichtigen Schritt für die Märkte. Gerade nach einem Brexit seien enge Verbindungen mit dem besser entwickelten Kapitalmarkt in London noch wichtiger. Skeptiker müssten die Notwendigkeit stärkerer europäischer Kapitalmärkte bedenken. Auf die Diskussionen zur konkreten Ausgestaltung und dem Standort ließ er sich nicht ein. Sein Aufsichtsratsvorsitzender in Deutschland, Friedrich Merz (CDU), hatte sich kritisch zum geplanten Holdingsitz in London geäußert.

Bedenken bezüglich der geplanten neuen Börsenholding

Carsten Kengeter, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Börse, versuchte in seiner Rede die Bedenken in Hessen zu zerstreuen, ohne jedoch konkret zu werden. „Wir wollen den Standort Frankfurt stärken“, sagte Kengeter und forderte das Publikum zu Applaus auf: „Pause für Effekt“. Das Fusionsvorhaben sei ein Katalysator für Wachstum in Frankfurt, sagte er. Seine weiteren Ausführungen widmete er den Stichworten Börse 4.0, Disruption, Fintechs und Blockchain, um am Ende sein schon häufiger verwendetes Bild der Brücke zwischen London und Frankfurt gleichsam einer Lebensader aufzugreifen und sich im besten Sinne in der Nachfolge von Jean Monnet zu sehen, einem der Gründerväter der Europäischen Gemeinschaft.

Vertreter der Londoner Börse waren nicht anwesend. Sie sind erst am Dienstag zu einem ersten Treffen mit dem hessischen Ministerpräsidenten Volker Bouffier (CDU) und seinem Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir (Grüne) eingeflogen. Ihm obliegt die Börsenaufsicht, und er kann das Fusionsvorhaben untersagen, wenn er die Fortentwicklung des Börsenbetriebs in Frankfurt nach der Fusion nicht sichergestellt sieht.

Konkrete Ergebnisse des Treffens, an dem auch Kengeter und der Börsenaufsichtsratsvorsitzende Joachim Faber teilnahmen, gab es keine. Die hessische Landesregierung ließ jedoch wissen, das Treffen in Wiesbaden habe auf Initiative der Börsen stattgefunden und sei ausdrücklich nicht Bestandteil der formellen Genehmigungsprüfung. Staatssekretär Michael Bußer berichtete, die Börsen hätten ihre Standpunkte erläutert und der Ministerpräsident habe über die politische Situation im Umfeld einer möglichen Fusion informiert.

Die ist alles andere als einfach. Alle Landtagsfraktionen, aber auch Politiker aus Berlin, die Finanzaufsicht Bafin, die Bundesbank und Arbeitnehmervertreter der Börse haben Bedenken bezüglich der geplanten neuen Börsenholding nach britischem Recht mit Sitz in London geäußert. Bereitschaft aus London, an der Sitzfrage etwas zu ändern, hat es bislang keine gegeben. Die Landesregierung hatte schon mehrfach wissen lassen, dass sie die Wettbewerbsprüfung der EU-Kommission abwartet und erst danach ihr Votum bekanntmachen wird. Die EU hat sich bis zum 13. März Zeit gegeben, über die Fusion zu entscheiden.