Europäische Union

Orbáns zweite Niederlage

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Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán am Dienstag im Parlament

Wieder bremst die Opposition ein Vorhaben des ungarischen Premierministers aus: Seine geplante Verfassungsänderung ist gescheitert. Warum ging Orbán sehenden Auges in die Niederlage?

Zum zweiten Mal binnen weniger Wochen ist Viktor Orbán, der ungarische Regierungschef, mit einem Vorstoß gegen die Verteilung von Migranten am Boykott der Opposition gescheitert. Anfang Oktober war es eine Volksbefragung, durch welche sich der Anführer der national-konservativen Partei Fidesz in seiner Politik gegen „EU-Zwangsquoten“ bestätigen lassen wollte. Sie blieb ungültig, weil weit weniger als die Hälfte der Wahlberechtigten eine gültige Stimme abgaben. Am Dienstag verfehlte der Versuch, eine entsprechende Ausschlussregelung ins ungarische Grundgesetz zu schreiben, die notwendige Zweidrittelmehrheit im Parlament.

Das ungültige Referendum hatten Orbán und seine Leute gleichwohl als großen Sieg gefeiert, da 98 Prozent der Teilnehmer – immerhin 3,3 Millionen Ungarn – im Sinne der Regierung mit Nein gegen die „Ansiedlung“ von Migranten durch die EU gestimmt hatten. Das Ergebnis wurde als politischer Auftrag für eine Verfassungsänderung aufgefasst. Tatsächlich war die Opposition nicht direkt gegen Orbán zu Felde gezogen. Denn dass dessen Haltung gegen Einwanderung von einer sehr großen Mehrheit in der Bevölkerung geteilt wird, wussten auch sie. Sie riefen aber erfolgreich zum Boykott der Abstimmung auf. Und genau so verhielten sie sich nun auch im Parlament.

Orbán beklagt „Erpressung“

Die regierende Fidesz-Partei, zusammen mit der kaum eigenständigen christdemokratischen KDNP, hat im Parlament 131 Stimmen – zwei weniger, als für eine Zweidrittelmehrheit erforderlich ist. Bei der Wahl 2014 hatten Fidesz/KDNP mit 45 Prozent dank des mehrheitsfördernden Wahlsystems noch haarscharf eine Zweidrittelmehrheit erhalten- seither waren ihr jedoch zwei Sitze in Nachwahlen abhandengekommen. Daher war Orbán nun auf die Zusammenarbeit mit wenigstens einer Oppositionskraft angewiesen.

Als Partner bot sich Jobbik an, die Orbáns grundsätzliche Haltung gegen Immigration teilt. Deren Vorsitzender Gábor Vona versucht seit einiger Zeit, die Partei aus dem rechtsextremen Außenbezirk zu führen und schien sich über die Aufwertung zu freuen. Großspurig forderte er ein „Privatgespräch“ mit dem Regierungschef, das er auch erhielt. Dann stellte er aber eine Bedingung für die Zusammenarbeit: Die Regierung müsse sich von der Praxis verabschieden, Aufenthaltstitel an reiche Ausländer über Regierungsanleihen zu „verkaufen“. Teile der Regierung schienen dazu bereit zu sein, Orbán aber erklärte, er werde sich einer „Erpressung“ nicht beugen. So kam es zu seiner Abstimmungsniederlage im Parlament.

Fidesz-Politiker schäumten nach der Abstimmung vor Wut über die „Verräter“, die den Willen des Volkes nicht respektierten. Außenminister Péter Szijjártó sagte, die Regierung werde ihre Anstrengungen fortsetzen, die Sicherheit des Volks zu gewährleisten. In der Sache werden sich jedoch wenig Folgen ergeben. Zwar gab Szijjártó auch kund, die Verfassungsergänzung wäre „sehr hilfreich“ gewesen, um den Widerstand gegen die „EU-Zwangsquote“ fortzusetzen. Aber erstens war der bisherige Zustand ohne grundgesetzliche Bindung dafür auch kein Hindernis. Und zweitens ist der Plan einer unfreiwilligen Verteilungsquote längst begraben worden, auch in Brüssel. Daran hatte Orbán seinen Anteil, Eindruck hat aber auch gemacht, dass sich andere mittelosteuropäische Staaten wie Tschechien oder die Slowakei dem angeschlossen haben.