Mode & Design

Drei neue Designer für alte Häuser

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Lanvin: Bouchra Jarrar (rechts) entwirft Hosen, als hätte die Natur sie den Frauen maßgeschneidert.

Beim Pariser Prêt-à-porter sind die ersten Tage von Debüts bestimmt. Nach etlichen Designerrücktritten beginnt die Wiederbelebung des Luxus. Der Stadt kann das nur guttun.

Die Stimmung zieht sich vom Laufsteg Richtung Backstage. Mittwochmittag in einem kleinen Hinterzimmer des Pariser Hôtel de Ville. Bouchra Jarrar hat im Saal nebenan gerade ihr Debüt für Lanvin gezeigt. Es ist persönlicher, näher an der Kundin als zuletzt unter Alber Elbaz, der natürlich überhaupt dafür verantwortlich ist, dass Lanvin heute wieder in der Mode Bedeutung hat.

Dieses Mal gibt es kein Spektakel, keine Abendschau- stattdessen laufen die Models einfach los, in einer Art perfekt unperfekter Pariser Uniform, in Hosen von fließend bis maßgeschneidert, Bouchra Jarrars Paradedisziplin, in Blazern, mal ärmellos, mal mantellang, in viel Schwarz-Weiß. Selbst die Kristallstickerei und Glitzerketten sind so selbstverständlich, wie das nur Pariserinnen schaffen.

Jetzt steht Bouchra Jarrar also in diesem Nebenzimmer und begrüßt jeden Gast, der Backstage gekommen ist, persönlich, ausschließlich auf Französisch. „Es war keine große Mühe, die Verbindung zu der Lanvin-Frau zu finden“, sagt Jarrar. Pariserinnen und ihre Mühelosigkeit eben, selbst wenn es um das Debüt bei einem Traditionshaus geht.

Mode kann den modernen Buzz gut gebrauchen

Die ersten Tage dieser Modewoche, die noch bis Mittwoch geht, sind von etlichen solcher Neuanfänge bestimmt. Paris kann das nur guttun. Nicht nur, weil hier vieles gerade nicht so gut läuft, weil der Tourismus weniger Geld in die Kassen spült, weil die Übernachtungen zurückgegangen sind, sondern weil auch die Mode, Kulturgut der Stadt, den Buzz gut gebrauchen kann in Zeiten, da es dem Luxus schon mal besser ging, da sich die Marken um die beste Inszenierung verbiegen, der Posts in den sozialen Medien wegen. Da also jetzt mit einem Debüt endlich mal eine echte Fallhöhe da ist.

Interessanterweise fehlt genau dort die Schau um die Schau. Man sieht es bei Lanvin, wo die Models wie selbstverständlich loslaufen, man sieht es auch beim Debüt von Anthony Vaccarello für Saint Laurent. Dafür gibt der 34 Jahre alte Belgier, der von Hedi Slimane übernommen hat und einen ähnlich kompromisslosen Ansatz pflegt, wenn es darum geht, seine Kleider möglichst knapp zu halten, dem Traditionshaus ein Stück seiner Würde zurück.

Die Kleider sind – klar – kurz, dafür bildet Vaccarello aus den drei eigentlich so wichtigen Buchstaben YSL, denen Slimane in seiner Zeit eher abtrünnig war, nun die Absätze der High Heels. Die Models tragen Smoking wie Jeans, sowohl das eine als das andere ist für die Marke historisch nicht unbedeutend.

Aufbauarbeiten nach dem Sturm

Die Pariser Modewoche steht somit in diesen Tagen auch für die Aufbauarbeiten nach dem Sturm, nach den Designerrücktritten der vergangenen Monate, sei es bei Lanvin, bei Saint Laurent, bei Dior. Zugleich begrenzt sich die neue Energie nicht auf die großen Drei.

Olivier Theyskens zeigt nach Jahren bei Theory eine erste Kollektion unter eigenem Namen. Wanda Nylon, die zur Szene der jungen Pariser cool labels gehört, zeigt zum ersten Mal auf dem offiziellen Schauenkalender. Nobi Talai aus Berlin zeigt zum ersten Mal in Paris. Macht mehr Frauen als Männer.

42670158 Maria Grazia Chirui ist die erste Frau bei Dior.

Wenn das kein Zeichen ist für die immer noch männlich dominierte Pariser Modebranche, dann dieses: Maria Grazia Chiuri, 1964 in Rom geboren, bis zuletzt Kreativ-Direktorin bei Valentino, ist die erste Frau, die Dior kreativ verantwortet.

Die erste Frau bei Dior

Freitagnachmittag ist es so weit: Chiuri legt ihre Version von Dior vor, und es ist kaum so gefällig schön wie bei Valentino. Bei Chiuri sind die Frauen Fechterinnen, ihre Uniformen könnten auch Männer tragen, aber jetzt sind es eben Frauen, in hautengen Hosen und gesteppten Corsagen mit athletischen Riemen am Rücken festgezurrt.

Als erste Frau bei Dior kann Maria Grazia Chiuri sich so einen Scherz mit sehr viel Ernst dahinter erlauben, sie weiß ihre Corsagen ja richtig umzusetzen. Sie sorgen für eine optimale Haltung und sehen zudem noch recht bequem aus, sie sind nicht von gestern, sondern vielmehr Requisiten der Zukunft. „Was mir heute gefällt: dass Frauen ganz allein entscheiden, was sie kombinieren“, erzählt sie Backstage nach der Schau, um den Hals trägt sie eine Superman-Kette. Oder Superwoman? „Ich schlage die Ideen vor, aber die Frauen entscheiden, was sie tragen.“

Aber wenn es Bouchra Jarrars Paradedisziplin ist, Anzüge für Frauen zu entwerfen, als hätte die Natur sie ihnen maßgeschneidert, dann ist es eigentlich diejenige Chiuris, markante Bestseller-Accessoires zu erfinden sowie mit aufwendig bestickten Roben zu arbeiten.

Bei einem Couture-Haus wie Dior, das sich zugleich auf sein kommerzielleres Geschäft verlassen muss, ist Chiuri also gerade richtig. Die zwei Stärken spielt sie auch hier aus: Ihre Abendroben sind aus so hauchdünnem Stoff, dass die surrealistischen Drucke wie Tattoos aussehen. Intimer kann ein Abendkleid nicht sein.

Die Handtaschen schmückt sie mit „J’adior“-Besatz. Damals, Anfang des Jahrtausends, schmückte sich auch Carrie Bradshaw in „Sex and the City“ mit dem Slogan „J’adore Dior“. „Das gehört doch auch zu unserem Erbe“, sagt Chiuri. „Es war mir wichtig, nicht nur an Monsieur Dior zu erinnern, sondern auch an alle anderen Designer in der Dior-Geschichte.“

Es klingt, als riefe sie das Raf Simons zu, der in seiner Zeit vor allem die stilistische Verbindung zu Christian Dior gesucht hat. Und es klingt sehr weiblich: Nach Jahrzehnten der Alphatiere steht hier eine Frau, die gerade erst bei Dior angekommen ist, aber schon so inklusiv arbeitet, dass sie die wichtigen Beiträge aller Designer in der genau 70 Jahre alten Geschichte des Hauses berücksichtigt. Sie steht nicht in deren Schatten. Der Mode kann sie nur guttun.