Gesellschaft

Die Blondine und der Terrorist

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Wenn der Laptop interessanter ist als die blonde Nachbarin, kann das ungeahnte Folgen haben.

Ein italienischer Professor geriet in den Vereinigten Staaten unter Terrorverdacht – weil er sich mehr für eine Differentialgleichung interessierte als für seine blonde Sitznachbarin.

Wer mathematische Gleichungen der Blondine auf dem Nachbarsitz vorzieht, läuft dieser Tage in den Vereinigten Staaten eventuell Gefahr, unter Terrorverdacht zu geraten. Guido Menzio, ein italienischer Professor fur Volkswirtschaft an der University of Pennsylvania, musste am vergangenen Donnerstag ein Flugzeug der Gesellschaft American Airlines schon vor dem Start in Philadelphia wieder verlassen, weil er seiner Sitznachbarin verdächtig vorkam.

Die Blondine, die der Wissenschaftler später als Amerikanerin um die 30 in Badelatschen beschrieb, hatte zuvor vergeblich versucht, sich mit dem Vierzigjährigen zu unterhalten. Ob er in Syracuse, dem Ziel des knapp einstundigen Fluges, zu Hause sei? Nein, antwortete Menzio und wandte sich wieder seinem Notizblock mit der Differentialgleichung zu. Weitere Versuche, den gelockten Italiener mit dem dunklen Teint in Smalltalk zu verwickeln, blockte er mit Einsilbigkeit ab.

„Ich war wohl zu konzentriert“

Da Menzio plante, von Syracuse im Bundesstaat New York zu einer Forschungskonferenz nach Kanada weiterzufliegen, wollte er die Zeit nutzen, um seinem mathematischen Vortrag den letzten Schliff zu geben. „Ich war wohl zu konzentriert“, so fasste er es am Wochenende bei Facebook zusammen. „Irgendwann rief meine Sitznachbarin die Flugbegleiterin und gab ihr einen Zettel.“

Nach einer halben Stunde auf der Startbahn manovrierte der Pilot das Flugzeug schließlich zuruck zum Flugsteig. Mit der Bemerkung, dass sie sich krank fuhle, verließ Menzios Sitznachbarin das Flugzeug. Zu dessen uberraschung forderte der Pilot auch den Professor auf auszusteigen. In der Flughafenhalle wurde er schon von Männern in schwarzen Anzugen erwartet.

„Sie fragten nach meiner Nachbarin. Ich ließ sie wissen, dass mir nichts Merkwurdiges an ihr aufgefallen war“, beschrieb der Professor seine Begegnung. „Daraufhin sagten sie mir, dass meine Sitznachbarin mich fur einen Terroristen hielt, weil ich verdächtige Dinge auf ein Blatt Papier geschrieben habe.“

Trump schure den Fremdenhass

Ein Blick in Menzios Notizen klärte das Missverständnis schnell auf. Einige Internetklicks der Transportation Security Administration (TSA) hätten ihm und den anderen Passagieren die Warterei gleich erspart. Die Website der University of Pennsylvania, eines der großten Forschungszentren der Vereinigten Staaten, weist den Italiener als Mitglied der Wirtschaftsfakultät der Ivy League School aus und listet seine fruheren Arbeitgeber wie Princeton und Stanford auf. Mit zweistundiger Verspätung hob das Flugzeug schließlich ab – ohne die Blondine, aber mit Menzio an Bord.

Gegenuber der „Washington Post“ wetterte der Wirtschaftswissenschaftler uber die „Paranoia“ an amerikanischen Flughäfen „Man vertraut Leuten, die unter Umständen komplett ahnungslos sind“, holte er gleichzeitig gegen die Transportation Security Administration und seine Sitznachbarin aus. Schuld tragen nach Meinung des Italieners aber nicht nur TSA und Blondine. Auch der republikanische Präsidentschaftsbewerber Donald Trump, ironischerweise fruher Student der University of Pennsylvania, schure den Fremdenhass in den Vereinigten Staaten. „Bei diesem Zwischenfall haben sich die Wertvorstellungen von Trumps Wählern gezeigt“, vermutete Menzio.

Viele Bewohner seines Gastlandes nahmen das Verwechseln der Formeln mit vermeintlichen Terrorplänen mit Humor. „Was tun, wenn man als Blondine keine Ahnung von Mathe hat?“, fragte ein amerikanischer Internetnutzer. „Bitte einfach Klappe halten!“