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Fragen zur Wahl: Wer kann Tsipras besiegen?

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Hat sich der Syriza-Vorsitzende Alexis Tsipras gewandelt? Und wer hat Chancen, ihn zu besiegen? Fünf Fragen – und Antworten – zur Wahl an diesem Sonntag in Griechenland.

Hat Alexis Tsipras sich zum Reformer gewandelt? Dazu gehen die Meinungen auseinander, doch die Skeptiker sind in der uberzahl. Der Athener Meinungsforscher Tassos Georgiadis gehort zu den Optimisten: „Tsipras versucht, sich näher an der Sozialdemokratie zu positionieren. Er wird jeden Tag sozialdemokratischer.“ Die Hoffnung der Optimisten ist, dass Tsipras nach den Erfahrungen der vergangenen Monate eingesehen hat, was in der Eurozone moglich ist und was nicht. Er werde jetzt tatsächlich sein Land reformieren und dabei versuchen, wenigstens Bruchstucke einer linken Politik in die neue Zeit hinuberzuretten – zum Beispiel die strikte Besteuerung der wohlhabenden griechischen Oberschicht oder eine Neuregelung des unubersichtlichen Medienmarkts.

Doch längst nicht alle sind so optimistisch. Tsipras und seine Partei, das „Bundnis der radikalen Linken“ (Syriza) stellen das dritte Hilfspaket mit den Geldgebern „als das Ergebnis von Erpressung und einem harten, leider verlorenen Kampf der Griechen“ dar, heißt es dazu in einer Analyse des Athener Buros der Konrad-Adenauer-Stiftung, und weiter: „Vor diesem Hintergrund erscheint die weitere Wandlung der Syriza hin zu einer wirklich pro-europäisch und reformorientierten Partei der Mitte wenig wahrscheinlich.“

Wer ist der wichtigste Herausforderer von Tsipras?

Evangelos Meimarakis, der neue Vorsitzende der konservativen Partei „Nea Dimokratia“. Seit Meimarakis den ungeliebten fruheren Ministerpräsidenten Antonis Samaras abgelost hat, legen die griechischen Konservativen in den Umfragen zu. Meimarakis hat die Partei in seiner unaufgeregten, bisweilen schnoddrigen Art zuruck in die Mitte gefuhrt. Schon vor der Wahl scheint sicher: Meimarakis wird entweder der nächste Ministerpräsident oder der wichtigste Oppositionsfuhrer in Athen. Wenn er das Ergebnis der Nea Dimokratia vom Januar halten oder auch nur um eine Stimme ubertreffen kann, wäre das bereits ein Erfolg fur ihn.

Wird die linksradikale Abspaltung von Syriza, die die Drachme wieder einfuhren will, eine große Rolle spielen?

Womoglich wird sie weniger wichtig als vor einigen Wochen erwartet. Die „Laiki Enotita“ (Volkseinheit) stand vor allem in den letzten Tagen vor der Wahl nicht mehr sonderlich gut da in den Umfragen- laut einigen Demoskopen lag sie sogar nur knapp uber der Dreiprozenthurde zum Einzug ins Parlament. Die Partei will nicht nur zuruck zur Drachme, also raus aus der Eurozone. Eine Durchsetzung ihres Wirtschaftsprogramms wurde zudem einen Bruch mit der EU bedeuten – und beides wollen die meisten Griechen auf keinen Fall.

So hat Griechenland gewähltInteraktive Grafik: So hat Griechenland gewähltInteraktiv

Zudem konnte es in der „Volkseinheit“ zu Rivalitäten zwischen dem Parteivorsitzenden Panagiotis Lafazanis (dem ehemaligen Energieminister) sowie der äußerst sendungsbewussten fruheren Parlamentssprecherin Zoi Konstantopoulou kommen. Auf der großen Kundgebung der Partei im Athener Zentrum war nicht Lafazanis, sondern Konstantopoulou die Hauptsprecherin des Abends.

Doch selbst wenn sich die „Volkseinheit“ nicht als starke Konkurrenz erweisen sollte – Syriza hat genug eigene Probleme. Der Erosionsprozess der Partei von Tsipras ist womoglich noch nicht beendet. Im Wahlkampf hatte die Partei in einigen Orten Schwierigkeiten, genugend freiwillige Helfer zu finden.

Wird es wieder eine Koalition geben?

Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit. Es ist unwahrscheinlich, dass eine Partei die absolute Mehrheit der Mandate im Parlament erringen kann. Und selbst wenn dies gelingen sollte, wäre die Mehrheit so knapp, dass sich damit kaum regieren ließe. Manche halten eine große Koalition zwischen Syriza und der Nea Dimokratia fur wunschenswert, aber Tsipras hat das mehrfach abgelehnt. Am liebsten wurde er wohl die Arbeit mit seinem bisherigen Koalitionspartner fortsetzen, den rechtspopulistischen „Unabhängigen Griechen“. Doch es ist nicht sicher, ob die Partei des fruheren Verteidigungsministers Panos Kammenos uberhaupt den Einzug ins das Parlament schafft.

Misslingt das, wird Tsipras wohl mit den Sozialisten von der Pasok und der liberalen Partei „To Potami“ (Der Fluss) Sondierungsgespräche fuhren. Die Pasok konnte leicht gestärkt aus diesen Wahlen hervorgehen, weil die vor den Wahlen im Januar in aller Eile gegrundete Konkurrenzpartei ihres fruheren Vorsitzenden Giorgos Papandreou aufgrund finanzieller Schwierigkeiten – und wegen mangelnder Aussicht auf Erfolg, nicht mehr antritt.

Konnte das Wahlergebnis uberraschungen bereithalten?

Womoglich zieht eine Rekordzahl von neun Parteien und Bundnissen in das neue Parlament ein, darunter auch ein altbekannter Neuling: Die „Union der Zentristen“ des Populisten Vassilis Leventis hat durchaus Chancen, erstmals seit ihrer Grundung 1992 Abgeordnete in das Parlament zu entsenden. Die vor allem in Thessaloniki starke Protestpartei scheint vor allem fur fruhere Wähler der rechtsradikalen „Goldenen Morgenrote“ sowie der „Unabhängigen Griechen“ attraktiv. Parteichef Leventis ist fast jedem Griechen bekannt, wird aber von fast niemandem ernst genommen.

Infografik / Umfrage Bisherige Sitzverteilung / Griechische Wahlen

Schon in den neunziger Jahren hatte er in einem obskuren Kanal eine eigene Fernsehsendung, in der er auf Politiker und Parteien schimpfte – zum Teil durchaus mit den richtigen Argumenten, oft aber in primitiver Rhetorik. Einige seiner seit Jahren erhobenen Forderungen (Abschaffung von Wahlkampfkostenerstattung und staatlicher Parteienfinanzierung, Kurzung der Bezuge von Parlamentariern und Ministern) sind im Zuge der Krise sehr beliebt geworden.

Griechen wählen neues Parlament