Wirtschaft

Brüssel: Kindergarten in der EU-Kommission

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In der Theorie sollten sieben Vizepräsidenten und eine neue Struktur mehr Schwung in die Arbeit der Kommission bringen. Stattdessen blockieren sich die Vizepräsidenten und die Kommissare gegenseitig.

Was kann ein zerrüttetes Verhältnis besser kitten als ein gutes Essen? Insbesondere, wenn der Kontrahent aus wohlhabendem spanischem Hause stammt und gern gut und teuer speist. So dachte sich Kommissions-Vizepräsident Maros Śefcovic und lud seinen Kommissionskollegen Miguel Arias Cañete in eines der besseren Brüsseler Edelrestaurants ein. Śefcovic und Cañete sind in der seit Herbst amtierenden Europäischen Kommission unter Jean-Claude Juncker für die Energiepolitik zuständig.

Gemeinsam sollen Vizepräsident und Kommissar das ehrgeizige Projekt der Energieunion verwirklichen, das nicht weniger will, als Klimaschutz, Versorgungssicherheit und den Binnenmarkt zu vereinen. Ein Großprojekt, das nur gelingen kann, wenn alle an einem Strang ziehen. Ziehen – das tun beide mit aller Kraft. Kaum ein Vizepräsident, kaum ein Kommissar ist so präsent, reist so viel, spricht so viel wie der Slowake und der Spanier. Das Problem ist: Sie ziehen nicht in dieselbe Richtung.

Śefcovic und Cañete, das ist seit Amtsantritt der Kommission Śefcovic gegen Cañete. Das ist neuer gegen alter Mitgliedstaat, kleines Land gegen großes Land, Sozialist gegen Konservativer, langjähriges Kommissionsmitglied gegen Neuling, Karrierediplomat gegen Politiker, junger Ehrgeiz gegen alten Stolz. Wenn Śefcovic in das wichtige Transitland Türkei reist, um über die EU-Gasversorgung zu sprechen, reist Cañete wenig später ebenfalls dorthin. Wenn Śefcovic ankündigt, die EU bei der internationalen Klimakonferenz Ende 2015 in Paris zu vertreten, lässt Cañete mitteilen, er reise als Verhandlungsführer dorthin. Wenn der eine vor die Presse tritt, um einen Vorschlag der Kommission vorzustellen, will der andere nicht hinter den Kulissen warten.

Ein symptomatischer Streit

Als Śefcovic und Cañete im Februar das Strategiepapier zur Energieunion in Brüssel vorstellen, gerät die Präsentation zur Farce. Bei keiner Frage will der eine dem anderen den Vortritt lassen, jede Frage muss der eine wie der andere beantworten. Dabei sind sie sich inhaltlich in beinahe allen Punkten einig. Nachher beschwert sich Śefcovic. Cañete habe wiederholt betont, als Kommissar sei er allein für die Verwirklichung zuständig. Cañete schimpft, der Vizepräsident habe vorher nach seinen Notizen für das Eingangsstatement gefragt und sie dann abgeschrieben. „Kindergarten“, stöhnt ein hoher EU-Beamter. „Es sind halt Männer“, sagt eine der neun Frauen in der Kommission. Aber so einfach ist es nicht. Der Dauerstreit zwischen Śefcovic und Cañete ist ein Extremfall, aber typisch für die Juncker-Kommission. Das neue Nebeneinander von Vizepräsidenten und einfachen Kommissaren funktioniert nicht.

Sieben Vizepräsidenten gibt es in der Juncker-Kommission. Anders als zuvor ist die Bezeichnung nicht nur ein mit einer Sonderzulage versehener Ehrentitel. Juncker hat den Vizepräsidenten eine neue Rolle zugedacht. Sie sollen Kernprojekte koordinieren, die einfachen EU-Kommissare die Details ausarbeiten. Dabei kommt es jedoch zu großen inhaltlichen Überschneidungen. So koordiniert der Este Andrus Ansip die Arbeiten an der Digitalstrategie, der Deutsche Günther Oettinger ist für einen Großteil der Umsetzung zuständig. Der Lette Valdis Dombrovskis ist als Vizepräsident für den Euroraum verantwortlich, der Franzose Pierre Moscovici für die Einhaltung des Stabilitätspakts. Ziel der Aufwertung der Vizepräsidenten war es, die Arbeit der mit 28 Mitgliedern – einem für jedes Land – viel zu großen Kommission effizienter zu gestalten. Stattdessen bremsen sich Vizepräsidenten und Kommissare gegenseitig aus.