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Pegida in Antwerpen: Die Spaltung der Diamantenstadt

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Antwerpen hat viele verschiedene Gesichter: Die einen schätzen die kulturelle Vielfalt der belgischen Metropole, für die anderen ist sie eine Hochburg der Rechtsextremisten. Jetzt spricht der Bürgermeister von einer „verkehrten Sorte von Zuwanderern“ und heizt damit die Ausländerdebatte an.

Direkt neben der „Eisenbahnkathedrale“, wie die Antwerpener den Hauptbahnhof mit der über 60 Meter hohen Kuppel und den Jugendstilelementen nennen, liegt das Diamantenviertel. Dass sich in der Hoveniersstraat hinter nüchternen Fassaden der größte Handelsplatz für Edelsteine verbirgt, ist nicht zu erkennen. In der kurzen Gasse sind schwarzgekleidete orthodoxe Juden zu sehen, die neben zahlreichen Indern die meisten Händler stellen. Vor einer Synagoge stehen schwerbewaffnete Soldaten.

Rund 20.000 der 510.000 Einwohner Antwerpens sind jüdischen Glaubens, es sind überwiegend orthodoxe Chassiden. Seit den Anschlägen auf die Redaktion der Satirezeitschrift „Charlie Hebdo“ und auf einen jüdischen Supermarkt in Paris halten Fallschirmjäger vor Synagogen und jüdischen Schulen in Antwerpen Wache.

Aber im Stadtpark ist an diesem sonnigen Frühlingstag von Beklemmung nichts zu spüren. Drei Jungen mit jüdischer Kippa sausen mit Tretrollern auf und ab. Daneben spielen arabischstämmige Kinder Fußball. Ein etwas älteres Mädchen mit Kopftuch schaut zu. Ein paar Schritte weiter hocken zwei junge schwarze Männer – einer spielt Gitarre, einträchtig singen sie. Zwischendrin tummeln sich auch jene Jugendlichen, die in Belgien als „Autochthone“ – Einheimische oder Alteingesessene – bezeichnet werden, die also keinen Migrationshintergrund haben.

Aber was bedeutet das schon in einer Stadt, in der noch gerade 54,2 Prozent der Einwohner als „autochthon“ gelten? Nur jeder fünfte Einwohner hat einen ausländischen Pass, jeder vierte ist ein eingebürgerter „neuer Belgier“. Nicht weniger als 16 Herkunftskategorien führt die Statistik auf. Die größte Gruppe stellen die überwiegend aus Marokko stammenden „Nordafrikaner“ (knapp 13 Prozent), während auf „Westasiaten“, zu denen die türkischstämmigen Bewohner zählen, knapp sieben Prozent entfallen.

Feindbilder: Pegida und deren Gegner

Antwerpen gilt als Hochburg der Rechtsextremisten

In welche Kategorie die jüdischen Bewohner fallen, verrät die Statistik nicht. Terry Davids hat andere Sorgen. Die Geschäftsführerin der jüdischen Zeitschrift „Joods Actueel“ sitzt in der Redaktion, die über eine schmale Treppe in einem Reihenhaus in der Nähe des Stadtparks zu erreichen ist. „Ich bin stolze Belgierin und Flämin“, sagt die energisch wirkende Frau. Ihr kürzlich verstorbener Vater, langjähriger Chefredakteur der Zeitschrift, war 1928 als Säugling mit seinen Eltern aus Ungarn in die Stadt gekommen. 1942 war ihm die Flucht aus einem Zug gelungen, der in das Konzentrationslager Auschwitz fuhr. „Mein Vater hat stets für ein einträchtiges Nebeneinander von Juden, Christen und Andersgläubigen gearbeitet“, erzählt Davids.

Sie wolle hinwirken auf eine tolerante Gesellschaft, in der zwischen allen Bürgern gegenseitiger Respekt herrscht – unabhängig von Herkunft und Weltanschauung. Dass die Antwerpener Sozialisten nach 2012 nach gut neun Jahrzehnten auf den Oppositionsbänken im Stadtparlament gelandet sind, bedauert Davids keineswegs. „Sie hatten kaum Gespür für die jüdischen Empfindsamkeiten“. Mit einem Stimmenanteil von vorübergehend bis zu einem Drittel für die fremdenfeindliche Partei Vlaams Belang gilt Antwerpen vielerorts als Hochburg der Rechtsextremen.