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Waffennarren in den USA: Geliebte Kalaschnikow

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Durch keine Waffe wurden mehr Bürger der Vereinigten Staaten getötet als durch die AK47. Trotzdem haben die Amerikaner eine Herzensbeziehung zum russischen Gewehr entwickelt. Nun fällt sie unter die Sanktionsbeschränkungen.

Das zweijährige Mädchen quengelt auf dem Arm seines Vaters, der ältere Bruder zerrt an seiner Mutter. So eine Waffenschau macht müde. Klar, ein einzelnes Gewehr ist super. Aber hier in dieser Halle stehen tausend Tische mit Gewehren, Pistolen, Munition und allerlei anderen Utensilien darauf, die zur Bewältigung des amerikanischen Alltags nützlich sein können. Es ist Gunshow in Chantilly, Virginia. Der Veranstalter wirbt mit Waffen auf zweieinhalb Kilometern und entschuldigt sich für die Unannehmlichkeit, dass die Besucher ihre mitgebrachten Pistolen vor Eintritt entladen müssen. Versicherungen und Behörden zwängen ihn zu der Auflage – gegen seine Überzeugung, wie er klarmacht.

Eine Kalaschnikow AK47 zu finden, das ist das Ziel des Besuchs. Viele freundliche Leute drängeln durch die Gänge der schmucklosen Ausstellungshalle, in der zwei Fußballfelder Platz fänden. Die meisten Leute sind weiß. Es sind höfliche Amerikaner, immer schnell bereit, sich zu entschuldigen, sollten sie auch nur andeutungsweise einen Weg oder einen Blick verstellen. Ein Besucher mit dem Sticker „Guns save lives“ (Gewehre retten Leben) am Anorak macht Faxen für die beiden nörgelnden Kinder.

Gunshow: „Ich kauf mir eine Knarre“

Und da ist sie schon: die AK47. Ein Aussteller hat an die kleinen Mitmenschen als Kunden gedacht, er präsentiert die Kalaschnikow hier als Holzgewehr. Der Produzent hat Sorgfalt walten lassen. Auf dem Schaft steht „AK47“, die Waffe hat den Pistolengriff und das klassisch geschwungene Magazin des russischen Vorbilds. Nur ist das Kindergewehr eine Idee kleiner und leichter, damit das Kernpublikum nicht zu schwer zu tragen hat. Die Entdeckung des Holzgewehrs ist ein Anfang. Aber die richtige AK47 muss auch hier sein. „Sure“, sagt die Frau von der Eingangskontrolle. Sie kennt sich aus, schließlich sei sie fast auf jeder Ausstellung. Doch das kann nicht sein, denn etwa 2500 Gunshows werden in jedem Jahr in den Vereinigten Staaten veranstaltet- hier kann man tödliches Gerät kaufen wie anderswo Antiquitäten. Die meisten Bundesstaaten verlangen als Bedingung für den Kauf nur einen Ausweis mit Foto, einen Führerschein zum Beispiel. Einige Staaten verlangen Background-Checks der Kunden, die mit Polizeizeugnissen vergleichbar sind.

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Auch die Firma W.A.R. Rifles hat keine echte AK47 im Angebot. Dafür sind einige ihrer Waffen rosa. Das soll das weibliche Publikum ansprechen. Außerdem verteilt W.A.R. Rifles Aufkleber mit einem Zitat des großen Präsidenten Thomas Jefferson: „Keinem freien Mann darf der Waffenbesitz verwehrt werden.“

Diese Vorstellung ist hier zum heiligen Gesetz geworden: „Das Recht der Bürger, Waffen zu tragen und zu behalten, darf nicht verletzt werden“, lautet das zweite von zehn Grundrechten der amerikanischen Bill of Rights. Die Leute auf der Gunshow würden das so übersetzen: „Ich kauf mir eine Knarre, und wehe, es versucht jemand, das zu verbieten.“ Der Grundsatz erlangte 1791 Gültigkeit, als die gefährlichste Waffe die Kentucky Long Rifle war, aus der ein geübter Schütze zwei Schüsse pro Minute abgeben konnte, um etwas ziemlich Großes aus knapp 200 Metern Entfernung zu treffen. Heute kämpfen die Waffenlobby National Rifle Association und ihre Freunde unermüdlich und hingebungsvoll dafür, dass das Recht auch für jenen wackeren Amerikaner fortlebt, der eine Kalaschnikow AK47 sein Eigen nennen möchte. Sie haben großen Erfolg damit.