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New York: „Grüne“ Schnellrestaurants mischen den Markt auf


Der Trend zur Nachhaltigkeit macht auch vor Fastfood nicht Halt: In New York mischen „grüne“ Schnellrestaurants den Markt auf – und geben ihren Kunden gleich auch eine Anleitung zum besseren Leben zur Hand.

Wenn man sich in der Filiale von Sweetgreen erst einmal in die Schlange eingereiht hat, gibt es kein Zurück mehr. „Next!“, brüllt der junge Mann mit grüner Schirmmütze hinter dem Tresen, während man noch zwischen all den Salatkreationen schwankt. Hinter der Glasvitrine klappern die Schüsseln, vier Mitarbeiter mixen Baby-Spinat, Tomaten, Ziegenkäse und Kichererbsen. Schon schlittern die Schüsseln zur nächsten Station, wo zwei Köchinnen gehackte Mandeln, Kürbiskerne oder Fladenbrotchips auf den Blättern verteilen. Die Dressing-Beauftragte muss gute Armmuskeln haben, mit aller Kraft wirbelt sie mit der Salatzange in der Schüssel. Schnell, schnell, die Anzugmänner in der Schlange schauen schon auf die Uhr. „What can I get you, Miss?“

Sweetgreen, so heißt die Schnellrestaurantkette von Nicolas Jammet, Jonathan Neman und Nathanial Ru. Die drei ehemaligen Studenten der University of Georgetown in Washington hatten in Uni-Nähe immer ein Fastfood-Lokal mit gesundem Angebot vermisst. Also eröffneten sie einfach selbst eins. Nur sieben Jahre später zählt Sweetgreen 27 Filialen an der Ostküste, mit einem Umsatz von 50 Millionen Dollar im Jahr 2014. Viele weitere Geschäfte sind in Planung. Klingt komisch, ist aber so: Salat ist Amerikas neue Modespeise.

Wie im Burgerladen – nur schöner und gesünder

Die Kette ist nämlich nur eine von vielen neuen „grünen“ Schnellrestaurants. Chop’t wurde schon 2001 gegründet, hier darf der Kunde in 27 Läden in New York und Washington zwischen fünf verschiedenen Salatblattsorten, 50 Zutaten und 28 Dressings wählen. Hochbetrieb herrscht auch bei Fresh &amp- Co., mittlerweile mit elf Filialen in New York: Mittags werden hier Hunderte Salate nach den Wünschen der Kunden am Fließband frisch zubereitet. Salat nach Baukastensystem – das gefällt den serviceorientierten Amerikanern.

Im neuen Fastfood steckt Potential: Im November stiegen in der Investmentfirma Revolution Growth sowie diversen illustren Restaurantmagnaten einige hochkarätige Großinvestoren ins Geschäft von Sweetgreen ein und brachten frisches Kapital in die Start-Up-Kasse. Nun soll Sweetgreen so groß wie McDonald’s werden, nur schöner, gesünder, nachhaltiger.

Normalerweise baut Wagniskapital auf junge Unternehmen aus der Technologiebranche. Die Salat-Firma spricht aber eine stark wachsende Zielgruppe an: den gesundheitsbewussten Bürger, der trotz Zeitknappheit in der Mittagspause nicht auf eine vitaminreiche Ernährung verzichten will und dabei schnellen, effizienten und kundenorientierten Service schätzt.

WeitersagenMerken&copy- dpa, Deutsche Welle

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Uniforme PR-Menschen auf dem Weg zu besseren Menschen

Das Restaurant in Tribeca wirkt dank rustikalem Landhausambiente, weißen Backsteinwänden, braunen Papiertüten und zuvorkommenden Mitarbeitern geradezu schick. Auf dem Menü: Salatvarianten wie „Rad Thai“ mit Zitronen-Scampi und „spicy cashew dressing“, „Wild Child“ mit Koriander, Rote Beete und „miso sesam ginger dressing“ oder der Bestseller „Kale Cesar Salad“ mit Baby-Grünkohlblättern, Schafskäse und Limettenspritzer. Preis: 8,85 Dollar. Kalorien pro Portion: 438. In der Schlange stehen Geschäftsleute und Mittzwanzigerinnen in PR-Firma-Uniform – allesamt schlanke, junge Menschen, die nicht so aussehen, als müssten sie Kalorien zählen. Oder die wahrscheinlich gerade deshalb so aussehen, weil sie es tun.

Die supergesunden, supereffizienten und supernachhaltigen Salat-Restaurants taugen als Beleg für die amerikanische Vorliebe, aus jeder Business-Idee gleich eine Ideologie zu machen: Sweetgreen, Chop’t, Just Salad oder Fresh &amp- Co. sind nämlich nicht nur Fast-Food-Lokale. Hier kann man auch zu einem besseren Menschen werden. Ein Auszug aus dem Sweetgreen-Manifest: „Climb higher“, „Find beauty in simplicity“, „Pursue your passions“, „Leave a gentle footprint“ – das klingt nach den Geboten einer Umweltschutzorganisation oder Kunsthochschule. Aber so etwas ist Sweetgreen ja irgendwie auch: Schließlich darf hier jeder Gast zum Schöpfer seines selbstentworfenen Mittagessens werden.

Vor allem nachhaltig kalorienreich

Denn das haben alle Salat-Restaurants gemein: ein riesiges Angebot an allen erdenklichen Zutaten, die nebenbei auch noch kulinarische Abenteuer versprechen. Wer hat schon 40 verschiedene Salat-Komponenten daheim, noch dazu solch originelle Zutaten wie kandierte Pecannüsse oder geröstete Süßkartoffeln? Chop’t nennt sich im Untertitel denn auch „Creative Salad Company“.

Inzwischen bekommt man Salat „to go“ in Städten wie New York, Boston, Washington oder Philadelphia an jeder Straßenecke. Selbst der Sandwich-Gigant Subway bietet nun sechs Brotfüllungen als Salat an. Ohne Brot, versteht sich, denn in Amerika greift die Angst vor Gluten um sich, was sicherlich zur sinkenden Beliebtheit von Käsestulle und Burger beigetragen hat und dem Hype um frisches Grünzeug zur Mittagspause zugute kommt.

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Trotzdem verteidigen die althergebrachten Schnellrestaurants noch den größten Anteil am Fastfood-Markt: Branchenführer ist in New York der Frittengebäck-Hersteller Dunkin Donuts mit mehr als 500 Filialen in allen fünf Stadtteilen, gefolgt von Starbucks (238) und McDonald’s (240). So richtig müssen sie den Vormarsch der grünen Konkurrenz nicht fürchten. Denn bei all den Zutaten und Soßen ist auch das neue Fastfood oft nachhaltig kalorienreich. Und es bleibt fraglich, wie gesund ein im Stehen oder gar Gehen verspeister Salat tatsächlich ist. Am Ende ist Fastfood schließlich nur das Produkt und das Symptom einer gehetzten Gesellschaft – egal ob ganz fettig oder ganz frisch.