Niederlassungsfreiheit für Notare, kürzere Arbeitsgerichtsprozesse, Geschäftsöffnung am Sonntag: Brechen in Frankreich jetzt andere Zeiten an?
Die französische Regierung will weite Teile der Wirtschaft deregulieren, um einen Impuls für Wachstum und die Schaffung von Arbeitsplätzen zu erzeugen. So sollen unter anderem die Ladenöffnungszeiten am Sonntag ausgeweitet, Streitereien vor den Arbeitsgerichten verkürzt, der Fernverkehr für private Busunternehmen geöffnet und der Berufsstand der Notare liberalisiert werden.
Dies sind die wichtigsten Inhalte eines umfangreichen Gesetzesvorschlags, den der Premierminister Manuel Valls und sein Wirtschaftsminister Emmanuel Macron an diesem Mittwoch in Paris präsentierten. „Wir wollen alles tun für mehr Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung“, sagte Valls vor der Presse. „Selbst wenn das alte Gewohnheiten und die Interessen von Berufsgruppen erschüttert, muss sich das ändern, was nicht funktioniert.“
Der Gesetzesvorschlag ist auch im Ausland mit Spannung erwartet worden. Die EU-Kommission beispielsweise will wissen, ob Frankreich wirklich zu Strukturreformen in der Lage ist. Auch die Bundesregierung blickt auf Paris. Premierminister Valls betonte dagegen am Mittwoch, dass Frankreich diese Reformen „allein für sich selbst vornimmt“.
Lob vom Arbeitgeberverband
Im Transportbereich will die Regierung künftig mehr Freiräume für Busreisen schaffen, die überall in Europa, nicht aber in Frankreich, populär geworden sind. Weil die französische Regulierung noch zu kompliziert ist – nicht zuletzt aufgrund des Einflusses der Staatsbahn SNCF – sind im vergangenen Jahr nur 110.000 Franzosen mit einem Fernbus unterwegs gewesen. Nach Angaben der Regierung vergleicht sich das mit 20 Millionen Briten und mehr als 8 Millionen Deutschen. „Wir glauben, dass wir hier ein richtiges Reservoir an Arbeitsplätzen heben können“, sagte Wirtschaftsminister Macron.
Diese Hoffnung hegt der Minister auch für einige freie Berufe, deren Liste er aufgrund des Drucks von Lobbygruppen allerdings einschränken musste. Die Notare sollen künftig eine weitgehende Niederlassungsfreiheit und eine aufgelockerte Gebührenordnung erhalten. „Die Tarife müssen sich stärker den wahren Kosten annähern“, forderte Macron. Auch bei einigen Berufen im juristischen Bereich will der Minister mehr Liberalisierung durchsetzen. Die erhofften Preissenkungen sollen nach seiner Rechnung die Kaufkraft der Franzosen erhöhen. Sein Vorgänger Arnaud Montebourg sprach einst von einem Wachstumsschub von 6 Milliarden Euro. Macron wollte allerdings am Mittwoch nicht so weit gehen und enthielt sich einer konkreten Schätzung.
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Der Arbeitgeberverband Medef begrüßte das Gesetzesprojekt als Schritt in die richtige Richtung. Besonderen Gefallen findet der Versuch der Regierung, die langwierigen Verfahren vor französischen Arbeitsgerichten zu verkürzen. Streitereien über Stellenabbau können sich in Paris etwa bis zu vier Jahre hinziehen. Auch die Umsetzung von Sozialplänen will die Regierung erleichtern.
„Wir müssen uns die Reformen im Detail erst noch anschauen. Doch grundsätzlich begrüßen wir mehr Wettbewerb und eine Vereinfachung der Bürokratie“, sagte Peter Jarrett, zuständiger Ökonom der OECD. Laut eines OECD-Vergleichs der Regulierungsdichte im Dienstleistungsbereich liegt Frankreich knapp hinter Deutschland.