Ausland

Geiseldrama im Jemen: In Stärke gescheitert

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Die Chancen der Amerikaner standen schlechter als zuvor. Obama befahl die Kommandoaktion trotzdem. Warum wieder eine Geiselbefreiung im Jemen fehlschlug.

Im Weißen Haus wussten sie, dass die Chancen für einen Erfolg nicht gut standen. Im Vergleich zu der Mission, mit der knapp vierzig Elitesoldaten der „Navy Seals“ am frühen Samstagmorgen den Amerikaner Luke Somers aus den Händen von Al Qaida befreien sollten, wirkte der gescheiterte erste Versuch von Ende November geradezu einfach. Denn dem neuerlichen Kommandoeinsatz im Jemen fehlte das Überraschungsmoment.

Nach dem Einsatz vom 25. November waren die Geiselbewacher auf alles gefasst. Die von einigen jemenitischen Soldaten begleiteten Amerikaner waren noch gut hundert Meter von dem gut geschützten Haus entfernt, in dem die Terrorgruppe den vor mehr als einem Jahr verschleppten Fotojournalisten und den Südafrikaner Pierre Korkie festhielt, als sie entdeckt wurden. Machtlos beobachteten die Elitesoldaten, wie einer der schwer bewaffneten Bewacher sogleich in das kleine Gebäude ging, in dem die Geiseln gefangen saßen. Es dauerte nur Sekunden, bis er auf sie geschossen hatte und mit seinen Kameraden die Flucht antrat.

Empörung in Südafrika

Die Amerikaner nahmen die schwer verletzten Geiseln mit. Eine starb auf dem Hubschrauberflug zum Amphibienschiff „USS Makin Island“, eine kurz darauf in dessen Operationssaal. Als auch in Washington der Tag anbrach, ließ Obama eine Erklärung verbreiten: „Wie diese und frühere Einsätze zur Geiselbefreiung zeigen, werden die Vereinigten Staaten keinen Aufwand scheuen, alle ihre militärischen, geheimdienstlichen und diplomatischen Fähigkeiten einzusetzen, um Amerikaner sicher heimzuholen, wo auch immer sie sein mögen.“ Nur verhalten wurde in Amerika zunächst darüber diskutiert, ob viel gescholtene Länder wie Frankreich oder Deutschland, die vor Lösegeldzahlungen nicht zurückschrecken, womöglich doch bessere Argumente haben könnten. Washington beharrt darauf, mit Terroristen nicht zu verhandeln. Somers‘ Familie äußerte sich zunächst nicht dazu und bat lediglich darum, man möge sie in Ruhe trauern lassen.

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Doch aus Südafrika wurde Empörung laut. Mitarbeiter der Hilfsorganisation „Gift of the Givers“, für die der Lehrer Korkie im Jemen gearbeitet hatte, wollen nach Verhandlungen mit dem jemenitischen Al-Qaida-Ableger zuletzt Anlass zur Hoffnung gehabt haben, dass Korkie freigelassen werde. Nach manchen Medienberichten war bereits Lösegeld für den Südafrikaner gezahlt worden. Der Sender BBC meldete unter Berufung auf einen hohen Mitarbeiter der amerikanischen Regierung, man habe nicht gewusst, dass der Südafrikaner mit dem Amerikaner festgehalten wurde. Inwieweit Washington überhaupt Hinweise hatte, dass eine andere Geisel zugegen sein würde, blieb unklar. In der Regierung Obama hieß es, man habe Somers‘ Aufenthaltsort mit Aufklärungssatelliten und -drohnen sowie durch Abhörmaßnahmen ausfindig gemacht.

Obama sah sich unter Handlungsdruck, nachdem „Al Qaida auf der Arabischen Halbinsel“ am Donnerstag ein Video verbreitet hatte, in dem die Gruppe Somers‘ Ermordung androhte, falls Obama nicht alle Bedingungen erfülle. Konkrete Forderungen formulierte die Gruppe angeblich nie. Ihr Ultimatum an Obama war eine Reaktion auf Amerikas ersten Versuch, Somers zu befreien. Doch befand er sich nicht mehr in der Höhle, wo die Amerikaner ihn vermutet hatten- stattdessen befreiten die von Jemeniten unterstützten Spezialkräfte acht Geiseln anderer Nationalitäten.

Lob von den Republikanern

Obama teilte mit, er habe den Befehl zum neuerlichen Einsatz gegeben, weil Somers‘ leben „unmittelbar in Gefahr“ gewesen sei. Nach unbestätigten Angaben eines Stammesführers in der jemenitischen Provinz Schabwa stürmten die „Navy Seals“ am Samstagmorgen vier Häuser. Dabei hätten sie mindestens zwei Kämpfer, aber auch acht Zivilisten getötet. Eigene Verluste erlitten die Spezialkräfte nicht.

Es war die dritte fehlgeschlagene Kommandoaktion zur Geiselbefreiung in diesem Jahr, von der die Öffentlichkeit erfahren hat. Im Juli hatten Spezialkräfte ein Haus ein Syrien gestürmt, in dem sie irrtümlich die amerikanische Geisel James Foley vermuteten. Dschihadisten des „Islamischen Staats“ enthaupteten Foley später. Der Abgeordnete Mike Rogers, der als scheidender Vorsitzender des Geheimdienstausschusses zu denjenigen Republikanern zählt, die Obama besonders laut eine zu weiche Sicherheitspolitik vorhalten, lobte den Präsidenten am Sonntag ausnahmsweise. Er habe die einzig richtige Entscheidung gefällt, sagte Rogers – auch wenn der Ausgang unerfreulich sei.