Europäische Union

EU-Gipfeltreffen: Vor einem Kompromiss bei den Klimazielen?

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Auf ihrem Gipfeltreffen in Brüssel wollen die Staats- und Regierungschefs die Grundzüge eines neuen Klimapakets beschließen. Es zeichnet sich ein Kompromiss darüber ab, wie stark die EU ihre Treibhausgasemissionen mindern will.

Der scheidende Ratspräsident Herman Van Rompuy verbreitete vor Beginn des Gipfeltreffens der 28 EU-Staats- und Regierungschefs an diesem Donnerstag und Freitag Zuversicht. „Ich bin hoffnungsvoll, dass wir heute Abend eine Einigung erreichen werden“, sagte der konservative belgische Politiker unmittelbar vor dem Treffen in Brüssel. Die Verhandlungen könnten am Donnerstagabend abgeschlossen werden, hieß es aus seinem Umfeld. Es sei unwahrscheinlich, dass es bis Freitagmorgen dauern werde. Übersetzt bedeutet das, Van Rompuy rechnet mit einem Kompromiss vor Mitternacht. Das wäre schnell. Schließlich wollen die Staats- und Regierungschefs nach dem Treffen mit Parlamentspräsident Martin Schulz um halb fünf auch noch über die Ukraine und die Ebola-Krise sprechen.

Worum geht es?

Die Staats- und Regierungschefs wollen die Grundzüge eines neuen Klimapakets beschließen, mit dem die EU Ende 2015 in die Verhandlungen über ein globales Klimaabkommen in Paris ziehen kann. Einige Staaten, allen voran Polen, haben sich zwar lange gegen frühe Zusagen der EU gesperrt. Sie wollten erst das Ergebnis der Pariser Konferenz abwarten, bevor sie ihre Industrie mit neuen Klimaauflagen belasten. Inzwischen haben sie aber weitgehend akzeptiert, dass sich die EU schon jetzt auf Ziele für 2030 verpflichtet – auch wenn Ungarn weiterhin darauf beharrt, die Ziele zurücknehmen zu können, falls es in Paris keine Einigung gibt.

Welche Ziele will sich die EU setzen?

Für die Klimakonferenz in Paris ist vor allem entscheidend, wie stark die EU ihre Treibhausgasemissionen mindern will. Die Kommission hat Anfang des Jahres eine Reduzierung der CO2-Emissionen um 40 Prozent verglichen mit 1990 vorgeschlagen. Darauf dürften sich auch die Staats- und Regierungschefs einigen. Nur Schweden fordert noch ein ehrgeizigeres Ziel von 50 Prozent. Der Gruppe der sogenannten Visegrad-Staaten (Polen, Ungarn, Tschechien und die Slowakei) sowie Rumänien und Bulgarien gehen selbst 40 Prozent zu weit. Sie fürchten, dass ein 40-Prozent-Ziel die wirtschaftliche Erholung ausbremst. Bisher gibt es ein 20-Prozent-Reduktionsziel bis 2020.

Soll es eigene Ziele für erneuerbaren Energien und die Energieeffizienz geben?

Auch für den Ausbau der Wind- und Sonnenkraft als auch die Energieeffizienz sind eigene Ziele vorgesehen. Im Gegensatz zu bisher soll es aber keine nationalen Ziele mehr für den Ausbau der erneuerbaren Energie mehr geben, sondern nur noch ein EU-weites 27-Prozent-Ziel. Das Ziel zur Steigerung der Energieeffizienz bleibt unverbindlich. Es dürfte am Ende ebenfalls 27 Prozent betragen, auch wenn Deutschland und die Kommission 30 Prozent fordern.

Wie sollen die Visegrad-Staaten an Bord geholt werden?

EU-Diplomaten sprechen ganz offen davon, dass Deutschland und die anderen Befürworter strikter Klimaziele die „Bremser“ kaufen müssen. Konkret heißt das, dass Staaten wie Polen, Ungarn oder Tschechien wie schon beim Klimapaket 2020 eine Sonderbehandlung bekommen. Zum einen sollen sie abermals 10 Prozent der zu versteigernden Emissionsrechte vorab zugeteilt bekommen. Für Stromerzeuger und Industrie der anderen Staaten würde sich deren Zahl entsprechend verringern. Zudem soll es zwei Fonds geben, die ebenfalls mit Emissionsrechten ausgestattet werden, etwa um die Modernisierung der Kraftwerke in den armen EU-Staaten und neue CO2-arme Technik zu fördern. Polen möchte zudem, wie schon derzeit möglich, seine Stromerzeuger mit kostenlosen Emissionsrechten ausstatten können.

Was kostet das Deutschland?

Klar ist, dass die deutschen Energiekonzerne und die deutsche Industrie durch die Fonds und die Umverteilung weniger Emissionsrechte zur Verfügung haben. Genau zu beziffern sind die Kosten nicht, weil das von der Höhe des Emissionsrechtepreises abhängt. Selbst bei einem wie momentan niedrigen Preis von 6 Euro, geht es über den Zeitraum 2020 bis 2030 aber um Milliarden.

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Wie schützt die EU ihre Industrie vor Nachteilen im internationalen Wettbewerb?

Die Industrie soll im Gegensatz zu den Stromerzeugern weiterhin kostenlose Emissionsrechte erhalten, wenn ihre Anlagen dem modernsten Stand der Technik entsprechen. Voraussetzung ist, dass die Unternehmen in starkem internationalen Wettbewerb stehen. Bisher hat die EU-Kommission das eher großzügig im Sinne der Industrie ausgelegt.

Welche Rolle spielt der Emissionshandel?

Der Emissionshandel bleibt das zentrale Instrument zur Reduktion des CO2-Ausstoßes. Er deckt heute knapp 45 Prozent aller Emissionen ab. Die vom EU-Emissionshandelssystem betroffenen Industriezweige und Energieerzeuger sollen ihre Emissionen überdurchschnittlich senken. Nach dem Willen der Kommission sollen sie um 43 Prozent sinken – und das nicht verglichen mit dem Basisjahr 1990, sondern dem für die Industrie ungünstigeren Jahr 2005. Damit der derzeit niedrige Emissionspreis ansteigt, wollen Kommission und Bundesregierung zudem eine Marktstabilitätsreserve einführen. Diese würde es der EU spätestens von 2020 an ermöglichen, überschüssige Emissionsrechte aus dem Markt zu nehmen.

Was sagen Klimaschützer zu dem Paket?

Den meisten Klimaschutzgruppen von Greenpeace bis zum WWF geht das Klimapaket nicht weit genug. Sie argumentieren, dass ein 40-Prozent-Ziel bis 2030 zu niedrig ist, um die angestrebte Emissionssenkung um 80 bis 95 Prozent im Jahr 2050 zu erreichen. Sie fordern zudem, dass ein globales Klimaabkommen ohne ehrgeizigere EU-Ziele in weite Ferne rückt.

Ist die Bundesregierung zufrieden?

Deutschland würde angesichts der Klimaziele, die es sich selbst gesetzt hat, gerne ambitionierter sein. Die Bundesregierung will den CO2-Ausstoß schon bis 2020 um 40 Prozent senken. Zudem hat es schon heute einen sehr hohen Anteil an erneuerbaren Energien. Wenn die EU nicht mitzieht, droht darunter die deutsche Wirtschaft zu leiden. Andererseits könnte Deutschland Europa und die restliche Welt „mitziehen“, wenn es belegen kann, dass die ehrgeizige deutsche Linie erfolgreich ist. Das behaupten zumindest Klimaschützer.