
Die EU-Kommission will den Energieverbrauch bis 2030 um 30 Prozent senken – und droht mit neuen Auflagen für Haushaltsgeräte.
Noch vor wenigen Tagen sah alles danach aus, als würde die EU-Kommission sich von allzu ehrgeizigen neuen Energiesparzielen verabschieden. In Brüssel kursierten Entwürfe für die von Energiekommissar Günther Oettinger angekündigte Energiespar-Fahrplan 2030, die nur noch Einsparungen von 20 bis maximal 29 Prozent vorsahen. Zum Vergleich: Das Europaparlament hat sich für 40 Prozent ausgesprochen, die Bundesregierung 30 bis 35 Prozent gefordert.
Insofern war es eine kleine Überraschung, dass sich die EU-Kommission in ihrer letzten Sitzung von der Sommerpause an diesem Mittwoch in Brüssel doch noch auf ein, wenn auch nur minimal höheres Ziel einigte: Neben das CO2-Reduktionsziel von 40 Prozent und das Ausbauziel von 27 Prozent für die erneuerbaren Energieträger will die Kommission für das Jahr 2030 nun ein Effizienzziel von 30 Prozent setzen.
Unter Nichtregierungsorganisationen von Greenpeace bis WWF, Sozialdemokraten und Grünen stieß die Europäische Kommission dennoch auf Kritik. Sie sehen in einem eigenen Effizienzziel einen entscheidenden Baustein im Kampf gegen den Klimawandel. Nur so könne die Europäische Union die Führungsposition bei der Entwicklung von Technologien für eine klimafreundliche Wirtschaft halten, argumentiert der SPD-Umweltpolitiker Matthias Groote. Allein auf die Reduktion des CO2-Ausstoßes zu setzen, reiche dafür nicht aus.
Kritik aus Osteuropa
Ein zusätzliches Argument hat den Klimaschützern der Konflikt in der Ukraine geliefert. Seit Wochen preisen sie ehrgeizige Energiesparziele auch als Instrument an, um die Abhängigkeit von den Gas- und Ölimporten aus Russland zu senken. Entsprechend bezeichnete Greenpeace den 30-Prozent-Vorschlag als Geschenk an die Oligarchen. Groote erkannte aber immerhin an, dass sich die Kommission auf die Parlamentslinie zubewegt hat. „Weniger als erhofft, aber mehr als erwartet“, fasste er das Ergebnis zusammen.
Oettinger verkaufte seinen Vorschlag als bestmöglichen Kompromiss. Die Befürworter strikter Energiesparziele dürften nicht vergessen, dass die Mitgliedstaaten einstimmig annehmen müssten, sagte er. Tatsächlich gibt es unter den Mitgliedstaaten, allen voran den osteuropäischen, starken Widerstand dagegen, dass sich die EU überhaupt ein eigenes Energiesparziel gibt. Zwar gestehen Staaten wie Polen zu, dass sie auch mit Blick auf die Abhängigkeit von russischen Energieimporten den Verbrauch senken müssen. Sie wollen das aber nach eigenem Gutdünken, sprich ohne Vorgaben der EU machen.
Auch in der Kommission gab es von Anfang an starke Vorbehalte gegen ein striktes Energiesparziel. Der noch amtierende Kommissionspräsident José Manuel Barroso hatte schon zu Beginn des Jahres die Vorgabe gemacht, dass sich die EU künftig voll auf den Abbau des Treibhausgasausstoßes konzentrieren soll. Das bisherige Nebeneinander von drei Zielen – bis 2020 soll der CO2-Ausstoß um 20 Prozent sinken, der Anteil erneuerbarer Energieträger am Verbrauch auf 20 Prozent steigen und der Verbrauch um 20 Prozent sinken – ist nach Ansicht von Barroso ineffizient, weil sich die Ziele teilweise widersprechen.
EU segnet EEG-Reform ab
Die EU-Kommission hatte entsprechend im Januar vorgeschlagen, nur das CO2-Redukionsziel von 40 Prozent verpflichtend zu machen. Das 27-Prozent-Ziel für die erneuerbaren Energieträger soll die Mitgliedstaaten hingegen anders als bisher nicht binden. Das Energiesparziel wollte Barroso auf maximal 25 Prozent begrenzen und ebenfalls unverbindlich machen. Sein Einfluss reichte wenige Wochen vor dem Ende seiner zweiten Amtszeit aber offenbar nicht mehr aus, um sich durchzusetzen.
Einen Anteil daran dürfte – neben der Ukraine-Krise – auch gehabt haben, dass sich der neue Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker in den vergangenen Tagen klar für ein 30-Prozent-Ziel ausgesprochen hat und die Bundesregierung ebenfalls auf ehrgeizigere und verbindliche EU-Vorgaben gedrungen hat. Die Frage der Verbindlichkeit aber hat die Europäische Kommission vorerst ausgeklammert. Das sollten die Staats- und Regierungschefs auf ihrem Gipfeltreffen im Oktober entscheiden, sagte Oettinger.
Je nachdem wie die Antwort der Staats- und Regierungschefs ausfalle, müsse die neue Kommission im Anschluss darüber nachdenken, ob sie neue EU-Vorgaben zur Steigerung der Energieeffizienz vorschlagen müsse, sagte der CDU-Politiker weiter. Eines sei aber klar: Haushaltsgeräte, Fahrzeuge, Industrieanlagen und Maschinen müssten stromsparender werden.
Deshalb führen an Investitionen in Milliardenhöhe ebenso wenig ein Weg vorbei wie an neuen Mindestauflagen für den Verbrauch von Haushaltsgeräten und Maschinen. Wenn die EU neue Auflagen auf Grundlage der auch für das Glühbirnenverbot genutzten Ökodesign-Richtlinie erlasse, sei ein Aufschrei in der Bevölkerung unvermeidlich.
Ruhe herrscht unterdessen seit diesem Mittwoch an einer anderen Front im Energiesektor. Das neue Erneuerbare-Energien-Gesetz kann wie geplant zum 1. August in Kraft treten. Die Kommission teilte mit, sie sei zu der Erkenntnis gelangt, dass die Reform mit dem EU-Beihilferecht in Einklang stehe. Das neue EEG werde zur Verwirklichung der umwelt- und energiepolitischen Ziele der EU beitragen, „ohne den Wettbewerb im Binnenmarkt übermäßig zu verfälschen“.
Almunia erklärte, das neue EEG fördere die Marktintegration erneuerbarer Energien. „Mittelfristig sollten dadurch die Kosten für die Verbraucher sinken“, stellte er fest. Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) begrüßte das grüne Licht aus Brüssel. Die Genehmigung durch die Kommission sorge für Rechts- und Investitionssicherheit. Damit werde die grundlegende Reform des EEG „erfolgreich abgeschlossen“.
