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Wirtschaftsspionage: Frustrierte Mitarbeiter sind ein Risiko

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Wirtschaftsspionage richtet in deutschen Unternehmen jedes Jahr einen Schaden in Milliardenhöhe an. Die Gefahr kommt nicht nur aus dem Internet. Das größte Risiko sind frustrierte Mitarbeiter.

Unzufriedenheit ist der Quell großen Übels. Niemand weiß das so gut wie der Windradentwickler AMSC Windtech aus Klagenfurt. Die Erkenntnis traf das österreichische Tochterunternehmen eines amerikanischen Konzerns wie ein Schlag im Jahr 2011. Damals ging es der Firma gut. Man hatte einen lukrativen Kunden, der chinesische Hersteller von Windkraftanlagen Sinovel spülte Millionen in die Kassen. Doch plötzlich ebbte das Interesse der Chinesen ab, offene Rechnungen wurden nicht beglichen, Aufträge storniert. Trotzdem drehten sich in China Windräder, die sich ohne die Software von AMSC eigentlich nicht drehen durften. Merkwürdig.

Anfangs ist es meist nur eine dumpfe Ahnung, welche die Geschäftsführung erfasst. Wenn Gewohnheiten sich ändern und Kunden plötzlich zurückhaltender agieren. Wer diese Ahnung zulässt und nachforscht, muss häufig nicht weit schauen: Der Feind sitzt in einem Büro nebenan. Meist sitzt er unzufrieden dort und frustriert. Bei Beförderungsrunden wurde er übergangen, vom Chef fühlt er sich schlecht behandelt. Ein solcher Mitarbeiter ist eine leichte Beute für Konzerne, die ihre Konkurrenten hemmungslos ausspionieren, um sich einen Vorteil zu verschaffen.

Das hat AMSC Windtech auf die harte Tour gelernt. Für 15.000 Euro verscherbelte der leitende Angestellte Dejan K. die Quellcodes für die Antriebsoftware der Windanlagen an die Chinesen. Außerdem winkte ein lukrativer Posten mit einer Bezahlung von mehr als einer Million Euro beim chinesischen Geschäftspartner. Auch er sei unzufrieden gewesen, berichtete K. vor Gericht. Doch die genauen Gründe blieben im Dunkeln.

Verfassungsschutz höchst alarmiert

Die Folgen für AMSC traten dagegen klar zu Tage: Das Unternehmen verlor seinen wichtigsten Kunden, der Umsatz brach ein, der Börsenkurs gleich mit, Hunderte Mitarbeiter verloren ihre Arbeit. Den Schaden beziffert AMSC auf eine Milliarde Dollar. Noch ist die genaue Summe unklar, vor Gerichten in China und Amerika wird auch drei Jahre nach dem Geheimnisverrat noch heftig gestritten. Sinovel hat die Vorwürfe stets bestritten. Immerhin gab es vom Landesgericht in Klagenfurt eine klare Entscheidung: Die Richter verurteilten den leitenden Angestellten zu insgesamt drei Jahren Gefängnis, davon zwei auf Bewährung, und einer Geldstrafe von 200.000 Euro.

Es war das größte Debakel von Wirtschaftsspionage der letzten Jahre. In Österreich und in den Vereinigten Staaten, dem Heimatland des Mutterkonzerns AMSC, schlug der Fall hohe Wellen. Selbst der chinesische Präsident musste sich mit der unangenehmen Thematik befassen. In Deutschland dagegen interessierte sich kaum jemand für das Schicksal des unglücklichen Unternehmens aus Kärnten. Bis auf den deutschen Verfassungsschutz. Und der ist höchst alarmiert.

Spricht man mit Mitarbeitern aus der Abteilung Spionageabwehr und Wirtschaftsschutz, ist das einer der Fälle, der ihnen sofort einfällt. Denn an kaum einem anderen Beispiel lässt sich festmachen, welche Bedrohung von den eigenen Mitarbeitern ausgeht. Und diese Bedrohung wird weit häufiger Realität, als es deutsche Unternehmen wahrhaben wollen.

Überstunden für die Steuersünder-CD

Ein Jahr nach den spektakulären Enthüllungen des Computerspezialisten Edward Snowden ist die Welt noch in Schockstarre über die flächendeckende Überwachung amerikanischer und britischer Geheimdienste. Auch die Hackerangriffe Krimineller auf die Computersysteme von Unternehmen sind in den vergangenen Jahren sprunghaft angestiegen – Tendenz weiter steigend. Doch für den Verfassungsschutz ist klar: Die größte Gefahr für die Unternehmen sind noch immer die eigenen Mitarbeiter. Sie haben Möglichkeiten, von denen Nachrichtendienste und externe Angreifer nur träumen können. „Der Mensch wird immer der entscheidende Faktor sein“, sagt Innenminister Thomas de Maizière.