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EuGH-Urteil über Google: Recht auf Vergessen im Netz

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Der Europäische Gerichtshof hat ein wegweisendes und richtiges Urteil gefällt. Google und Co. können sich nicht länger aus der Verantwortung für ihre Suchergebnisse herauswinden.

Nun gibt es also doch ein Recht auf Vergessen werden im Internet, ein Recht, das es Bürgern erlaubt, Suchmaschinen das Hinweisen auf sensible Daten zu untersagen. So hat es der Europäische Gerichtshof bestimmt und damit einen wegweisenden Entscheid gefällt. Seit Jahren gibt es in Deutschland eine anhaltende Debatte darüber, ob der Gesetzgeber ein solches Recht festschreiben soll. Geschehen ist bisher nichts. Nun sind die Brüsseler Richter den Politikern zuvor gekommen. Und sie haben richtig entschieden.

Abgeleitet haben die Juristen ihren Entscheid aus der EU-Datenschutzrichtlinie. Sie haben darin ein paar Grundsätze festgeschrieben, die dramatische Folgen für die Betreiber von Suchmaschinen haben werden. Konzerne wie Google, Microsoft oder Yahoo gelten in Zukunft im Hinblick auf ihre Suchfunktion als Datenverarbeiter. Die Folge: Sie sind für das inhaltliche Bild einer Person, das sich aus der Darstellung der gefundenen Links ergibt, verantwortlich. Diese Auslegung wollten die Konzerne mit aller Kraft verhindern, indem sie stets argumentierten, lediglich Dokumente auffindbar zu machen, aber ihren Gehalt dabei nicht berücksichtigen zu müssen. Mit dieser Argumentation ist Google gescheitert.

Die Auslegung der Richter ist nur konsequent. Längst sind Dienste wie Google und Yahoo keine reinen Suchdienste mehr, sondern globale Datenaggregatoren von nie gekannter Dimension. Sie verarbeiten nahezu alle von ihnen erfassbaren Daten über Personen, ihre Vorlieben, ihre Wegstrecken im Digitalen mit immer zunehmender Intensität, um die Auslieferung von Werbung zu optimieren. In den Servern der Suchmaschinen sind die Bürger längst gläsern geworden, selbst wenn die Konzerne immer wieder betonen, dass die Daten ja nur zu anonymen Profilen aggregiert werden.

Suchmaschinen steht ein unabsehbarer Aufwand bevor

Nun steht den Suchmaschinen ein unabsehbarer Aufwand zuvor. Tausende von Bürger und Institutionen werden die Sperrung von Suchergebnissen verlangen. Die interessante Frage ist, wie die Suchmaschinen damit umgehen: Werden sie jeden Einzelfall prüfen? Werden sie personenbezogene Links, die auf ältere Dokumente verweisen, maschinell stärker in den Hintergrund schieben – was das Internet als Rechercheinstrument der Zeitgeschichte erheblich beeinträchtigen könnte?

Die Pflicht zur Löschung gilt selbst, wenn die Suchergebnisse – etwa Zeitungsartikel – legal im Netz abgebildet werden. Die Richter haben entschieden, dass die Aggregation von Informationen zu einer Person ein viel intensiveres Datenbild ergeben, als einzelne Dokumente es enthalten. Wenn sich Bürger heute als zunehmend durchleuchtet wahrnehmen, so liegt das nicht nur an den Schnüffelaktionen der NSA, sondern ganz besonders an der Sammlung und öffentlichen Abbildung von Spuren, die Bürger im Netz hinterlassen haben.

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Das Urteil wird nicht nur Folgen für Suchmaschinen haben. Im Netz hat sich ein ganzer Wust von Such- und Findediensten ausgebreitet, wie etwa die Personensuchmaschine Yasni. Sie alle müssen nun überprüfen, ob die Ausweisung von Links zu weit in die Schutzrechte der Bürger eingreifen.

Noch einen weiteren wichtigen Punkt hat der EuGH klargestellt: Internationale Konzerne wie Google können sich nicht darauf berufen, dass die eigentliche Datenverarbeitung gar nicht in dem Land stattfindet, in dem ein Bürger die Löschung verlangt. Damit haben die Konzerne versucht, sich schärferen lokalen Datenschutzrichtlinien zu entziehen. Eine viel kritisierte Argumentation. Doch das trickreiche Herauswinden aus der Verantwortung funktioniert jetzt nicht mehr.