Medizin

Palliativmedizin: Die richtigen Hilfen am Lebensende

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Wie lindert man Atemnot, Schmerzen, Halluzinationen? Zu möglichen Therapien für Sterbende gibt es derzeit noch wenig wissenschaftliche Evidenz.

Lange Zeit ist die Begleitung Sterbender nicht als ärztliche Aufgabe betrachtet worden, sondern als Aufgabe der Pflege und der Seelsorge. Heute ist die Palliativmedizin ein eigenständiges Fach innerhalb der wissenschaftlichen Medizin und steht als solches auch in der Pflicht, ihre Behandlungsempfehlungen nach den Regeln der evidenzbasierten Medizin abzusichern. Sie hat demnach einen hohen Forschungsbedarf. Die beste Gewissheit dafür, dass Behandlungsempfehlungen tatsächlich nützlich sind, liefern hochwertige klinische Studien mit Kontrollgruppen – etwa zur Therapie mit Arzneimitteln.

Allerdings halten sich die Ethikkommissionen mit der Bewilligung solcher Studien zurück. Sie verweisen darauf, dass Sterbende besonders verletzlich sind und ihnen keine klinische Forschung mehr zugemutet werden kann oder darf. Viele Sterbende sind auch nicht mehr in der Lage, in die Forschung einzuwilligen und die nötigen Angaben zur Wirkung einer Behandlung zu machen. Außerdem fehlen zumeist die finanziellen Mittel für solche Studien. Niemand will Arzneimittelstudien am Lebensende bezahlen. Für etliche Empfehlungen gibt es daher nur eine schwache wissenschaftliche Evidenz. Außerdem sind viele Studien auf die palliativmedizinische Versorgung von Krebskranken beschränkt gewesen. Aber auch Patienten mit anderen Krankheiten haben ein Recht auf eine evidenzbasierte palliativmedizinische Versorgung am Lebensende, etwa Kranke mit einer chronisch obstruktiven Lungenerkrankung, denen das Gefühl, nicht mehr genug Luft zu bekommen, so zusetzt, dass der Grat zwischen Linderung und Panik sehr schmal ist.

Klinische Studien sind rar

Beim diesjährigen Kongress der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin in Wiesbaden beschäftigte sich eine Veranstaltung damit, was bei der Therapie Sterbender durch klinische Studien gedeckt ist. Imke Strohscheer von den Hamm-Kliniken, Klinik Nordfriesland in St. Peter-Ording, sprach über den Einsatz von starken Schmerzmitteln in der Sterbephase. „Es gibt keine einzige ernstzunehmende klinische Studie, die zeigt, dass der Einsatz von Opioiden das Leben verkürzt“, sagte Strohscheer. Weil Opoide die Atmung verlangsamen und verflachen, stehen sie im Verdacht, indirekte Sterbehilfe zu leisten. Diese nimmt in Kauf, dass Patienten durch die Nebenwirkungen einer palliativmedizinischen Therapie möglicherweise früher aus dem Leben scheiden. Strohscheer sieht keine wissenschaftlichen Belege dafür, dass dies bei den modernen Opoiden der Fall ist. Die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft und die Europäische Gesellschaft für Palliativmedizin haben in den vergangenen Jahren Empfehlungen zur Schmerztherapie bei Tumorpatienten veröffentlicht. Diese folgen im Wesentlichen dem Stufenschema der Weltgesundheitsorganisation und benennen auf der Basis der zur Verfügung stehenden Evidenz, wie die breite Palette der vorhandenen Opioide und Darreichungsformen einzusetzen ist. Strohscheer kritisierte in Wiesbaden allerdings auch, dass nur die starken Schmerzmittel unter dem Verdacht der indirekten Sterbehilfe stehen. Eigentlich müsste jedes am Lebensende eingesetzte Medikament auf eine mögliche lebensverkürzende Wirkung hin untersucht werden.