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Schäubles Hitler-Vergleich: Rhetorischer Bumerang, schnell beschleunigend

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Hitler-Putin, Hitler-Bush: Historische Vergleiche können sich unversehens gegen ihren Urheber richten. Auch Wolfgang Schäuble war vor Versuchungen nicht gefeit.

In den achtziger Jahren ist es gewesen, in der Zeit des sogenannten Kalten Krieges: Innenpolitische Debatten über die „Nachrüstung“ der Nato mit neuen Mittelstrecken-Raketen (Pershing II), die in der Bundesrepublik Deutschland stationiert werden sollten, weil die Sowjetunion mit SS-20-Raketen aufgerüstet hatte. Angeführt von moskautreuen kommunistischen Gruppen, den entstehenden Grünen und anderen Friedensfreunden gab es Massenkundgebungen in Bonn am Rhein. Die Friedensbewegung war ein politischer Faktor. Die Grünen waren soeben in den Bundestag eingezogen. Deren Anführer Joseph („Joschka“) Fischer und Otto Schily im „Spiegel“: Mit der Stationierung der Nato-Raketen drohe ein atomares „Auschwitz“. Debatte im Bundestag. Heiner Geißler, Jugend- und Familienminister und zugleich CDU-Generalsekretär, damals ein politischer Zuspitzer sondergleichen, rief: „Die Massenvernichtung in Auschwitz gedanklich in Verbindung zu bringen mit der Verteidigung der atomaren Abschreckung eines freiheitlich-demokratischen Rechtsstaats, dies gehört ebenfalls in das Kapitel der Verwirrung der Begriffe und der Geister, die wir jetzt bestehen müssen.“

Auf kalkulierende Weise kam Geißler in Fahrt. „Herr Fischer, ich mache Sie als Antwort auf das, was Sie dort gesagt haben, auf folgendes aufmerksam: Der Pazifismus der dreißiger Jahre, der sich in seiner gesinnungsethischen Begründung nur wenig von dem heutigen unterscheidet, was wir in der Begründung des heutigen Pazifismus zur Kenntnis zu nehmen haben, dieser Pazifismus der dreißiger Jahre hat Auschwitz erst möglich gemacht.“ Große Empörung im Saal: Was denn der Pazifismus mit der Judenverfolgung zu tun gehabt habe. Die Friedensbewegung hatte ihren Lieblingsfeind. Geißlers Vergleich wurde auf ein „Die Friedensbewegung hat Auschwitz erst möglich gemacht“ verkürzt. Helmut Kohl, da schon Bundeskanzler geworden, stand zu Geißler: Wieso von dem Vergleich abrücken, wenn er doch seinen Zweck erfüllt hatte die innenpolitische Trennung von Freund und Feind.

Es sind nicht die historisch Ungebildeten aus den Reihen der Politik, die mit Vergleichen aus der Geschichte operieren. Eher trifft das Gegenteil zu. Der Vergleich als Mittel zum Zweck als Instrument der politischen Auseinandersetzung oder auch der politischen Willensbildung. Aber wie es so ist in der Politik: Ob der Vergleich passt, ob er trifft oder das Gegenteil provoziert – alles ist eine Frage des Datums und der Umstände. Herrschen Zeiten der Polarisierung und des Einvernehmens? Geht es um Innenpolitisches oder um Außenpolitisches? Um persönliche Attacke oder sachliche Unterscheidung? Stets gilt die Erfahrung, dass Vergleiche hinken können. Es gilt auch die Kehrseite: Nicht alles, was hinkt, ist ein Vergleich.

Übel erging es Guido Westerwelle

Übel erging es einst Herta Däubler-Gmelin, zur fraglichen Zeit Bundesministerin der Justiz, SPD, bekannt als scharfzüngig. Im Spätsommer 2002 war es, der Bundeskanzler Gerhard Schröder führte schon mit seinem „Nein zum Irak-Krieg“ Wahlkampf. Däubler-Gmelin über den amerikanischen Präsidenten, angeblich in einem kleinen Kreis von Gewerkschaftsfunktionären daheim in Baden-Württemberg: „Bush will von seinen innenpolitischen Schwierigkeiten ablenken. Das ist eine beliebte Methode. Das hat auch Hitler schon gemacht.“ Bush und Hitler – das ging selbst Schröder zu weit. Es rettete Däubler-Gmelin nicht, dass ihre Worte in interner Runde fielen. Nach der Bundestagswahl war sie nicht mehr im Kabinett. Ludwig Stiegler, damals an der Spitze der Fraktion, nannte Bushs „Washington“ das „neue Rom“. Der passionierte Altsprachler: „Bush benimmt sich so, als sei er der Princeps Caesar Augustus und Deutschland die Provincia Germania.“ Stiegler hatte kein wirklich wichtiges Amt zu verlieren. Er kam mit einer Rüge Schröders davon.