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Richtig gut und trotzdem erfolglos

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Blackberry modernisiert sein Betriebssystem. Auch die überarbeitete Unterstützung von Android-Programmen soll die Plattform attraktiver machen.

Früher hat man verschämt herumgedruckst und erklärt, dass es sich um ein Dienstgerät handele. So groß war der Abstand zwischen einem Blackberry einerseits und einem Android oder iPhone andererseits. Seit genau einem Jahr ist jedoch das Blackberry-Betriebssystem 10 zusammen mit vier neu entwickelten Geräten im Markt. Geholfen hat das dem kanadischen Hersteller nichts. Blackberry ist abgeschlagen, es ist das am wenigsten verbreitete Smartphone-Betriebssystem. Während das ebenfalls in einer Nische agierende Windows Phone von Monat zu Monat stärker wird, bleibt die Beliebtheit von Blackberry gering.

Und das, obwohl die NSA-Spähaffäre den Kanadiern eine gute Gelegenheit bot, sich als besonders sichere Alternative zum Mainstream der Mitbewerber zu präsentieren. Jedoch hat man die Chance verpasst, sein Sicherheitskonzept rund um den Blackberry Enterprise Server noch einmal herauszustellen oder den Vorteil der Endgeräte, zwischen einem sicheren Business-Abteil („Perimeter“) mit Apps und Daten des Unternehmens und einer privaten Sphäre strikt zu trennen.

Wir haben jetzt einige Wochen lang die brandneue Blackberry-Version 10.2.1 ausprobieren können, die offiziell noch nicht in Europa freigegeben ist und spielten sie auf das große Z30, das unseres Erachtens derzeit beste Gerät ohne Mini-Tastatur. Wer vom alten 10er-System auf das neue wechselt, sieht markante Unterschiede erst auf den zweiten Blick. Wie gehabt wischt man mit dem Finger, Menütasten fehlen, einige Tage muss man lernen.

Die wichtigsten Verbesserungen sind erweiterte Schnelleinstellungen (etwa für das Ein- und Ausschalten von W-Lan, Bluetooth, NFC), die mit einem Fingerwisch vom oberen Bildschirmrand nach unten aufrufbar sind und sich zudem nun anpassen lassen. In den Schnelleinstellungen findet man ferner, ebenfalls neu, den Gerätemonitor, der detaillierte Informationen zum Akkustand oder zur CPU- und Speichernutzung zeigt. Auch die Anzeige der Batterieladung in Prozent ist eine kleine, schöne Nettigkeit.

Unterbau ist eine Runtime-Umgebung

Jenseits dieser kosmetischen Korrekturen soll die überarbeitete Unterstützung von Android-Programmen die Plattform attraktiver machen. Musste man bislang die Programmdateien aus der rivalisierenden Welt in ein kompatibles Format umwandeln, kann jetzt mit der 10.2.1 jede APK-Datei beispielsweise über den Blackberry-Dateimanager installiert werden. Der Unterbau ist eine Runtime-Umgebung, die auf dem Android Open Source Project basiert. Viel sollte man sich von der App-Kompatibilität nicht versprechen, denn viele APIs (Programmierschnittstellen) sind nicht in dem offenen Bereich enthalten. Schon ein Browser wie Google Chrome lief auf unserem Gerät nicht, andere Apps ließen sich zwar starten, arbeiteten aber dann mehr schlecht als recht oder streikten spätestens beim Versuch, Inhalte zu teilen oder zu speichern.

Die charmante Idee, den App-Notstand von Blackberry mit diesem Kniff zu beseitigen, funktioniert also nicht. In dem hauseigenen Shop mögen zwar mittlerweile mehr als 100.000 Programme bereitstehen. Aber darunter ist unendlich viel Murks, der nicht einmal das Ausprobieren lohnt. Wer zum Beispiel nach alternativen Twitter-Awendungen sucht, findet an erster Stelle ein Dutzend Programme eines Programmierers, die jeweils einen Twitter-Feed anzeigen. Im August hatte ein Nachrichtenportal berichtet, dass ein Drittel aller Blackberry-Apps von einem einzigen Hersteller in Hongkong stammen. Zeitweilig hatte das Unternehmen Blackberry 100 Dollar für jede eingetragene App an die Programmierer gezahlt. In der App-Welt sieht es also noch dunkel aus. Auch im Bereich Multimedia und Kamera kann ein Blackberry nur schwer begeistern.

Um seine Stärken zu entdecken, muss man sich einige Zeit nehmen, es lohnt es sich. Der Blackberry-Hub als zentrale Anlaufstelle für E-Mail, verpasste Anrufe, SMS, Whats App und Meldungen aus sozialen Netzen ist ein Alleinstellungsmerkmal, das sich im Kampf gegen die Nachrichtenflut bestens bewährt. Ein selbstlernender und durch manuelle Korrekturen immer besser werdender Priority Hub zeigt beispielsweise auf einen Blick Wichtiges an. Mit Regeln wie „Ich habe die Konversation gestartet“ gelingt eine sehr individuelle Anpassung. Und mit einem Zweifingerzoom über dem Nachrichtenfenster lassen sich sofort alle ungelesenen Meldungen anzeigen.

Beim Schreiben von E-Mail, Whats-App-Nachrichten oder SMS hat Blackberry einen weiteren Pfeil im Köcher, nämlich den intelligenten Wortvorschlag-Algorithmus, der alle vergleichbaren Assistenten weit in den Schatten stellt. Während des Tippens auf der virtuellen Tastatur erscheinen sinnvolle Vorschläge, die man mit einem Fingerschnipp „nach oben“ ins Eingabefeld schieben kann. Die Vorschläge sind erstklassig, man staunt. Und nicht zuletzt: Auch die Spracherkennung arbeitet bestens, fast auf dem Niveau von Apples Siri.

Der Blackberry ist und bleibt also ein Arbeitsgerät. Hier ist er stark wie nie und in vielen Details den Mitbewerbern überlegen. Wer mit dem Z30 und seinem neuen Betriebssystem geschäftlich unterwegs ist, darf sich über zwei weitere Extras freuen, die der Konkurrenz abermals fehlen: Mit dem vollständig implementierten Bluetooth-Protokoll MAP (Message Access Profile) gelingt die Anzeige von E-Mails auf dem Bordmonitor einiger aktueller Fahrzeuge, etwa im BMW mit iDrive. Ferner funktioniert Sim Access, ein Bluetooth-Profil, das beim Einsatz im Auto das Smartphone quasi schlafen legt und dann mit eigener Mobilfunkeinheit und Außenantenne erstklassige Sende- und Empfangseigenschaften liefert. Wir haben das mit dem Z30 im Śkoda Superb ausprobiert und uns auf diese Weise von vielen Funklöchern verabschiedet.