Familie

Bischöfe üben Selbstkritik in Sachen Sexuallehre

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Eine Umfrage unter Katholiken zu Ehe und Familie hat viele Probleme offenbart. Nun suchen die Bistümer nach Lösungen. Kardinal Lehmann will eine „offensive Strategie“.

Die Diözesen Limburg, Mainz und Fulda stehen vor der Aufgabe, Konsequenzen aus der von Papst Franziskus in Auftrag gegebenen Umfrage unter Katholiken zu Ehe und Familie zu ziehen. Wie berichtet, hatte die Umfrage ergeben, dass es zwischen der kirchlichen Lehre und den Vorstellungen der Gläubigen eine Kluft gibt – vor allem im Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen, homosexuellen Paaren und in der Sexualmoral grundsätzlich. Die Umfrage dient der Vorbereitung auf eine außerordentliche Weltbischofssynode, die im Herbst stattfinden soll.

Die Ergebnisse aus Deutschland hat die Bischofskonferenz dem Vatikan mittlerweile übermittelt, in der nächsten Woche steht das Thema auf der Tagesordnung des Kardinalskollegiums. Es versammelt sich in Rom aus Anlass der Erhebung neuer Geistlicher in den Kardinalsstand. Mit dabei ist auch der Mainzer Bischof Karl Kardinal Lehmann.

„Defizite im Verhalten der Kirche“

Er hat bei der Vorlage der Umfrageergebnisse in seinem Bistum für eine „offensive Strategie“ geworben. Er sieht Defizite im Verhalten der Kirche, in ihren Argumenten und der „Autoritätsausübung zu manchen Dingen“. Lehmann spricht offen von einer „echten Führungskrise auf der obersten Ebene, Bischöfe und Bischofskonferenzen eingeschlossen“.

Auch der Fuldaer Bischof Heinz Josef Algermissen sieht Anlass zur Selbstkritik: „Wir haben als Bischöfe offenbar ein Problem, weil uns die Vermittlung des positiven Menschenbildes der katholischen Sexualethik nicht gelingt.“ Das Bistum Fulda will nun Art und Inhalt der Ehevorbereitung überprüfen. Das sei ein Wunsch gewesen, der aus der Umfrage hervorgegangen sei. Die Diözese will nun zunächst von den Pfarreien wissen, wie die Ehevorbereitung für junge Paare konkret aussieht.

Mit dem Scheitern einer Ehe umgehen

Auch das Bistum Limburg erwägt, die Ehevorbereitung in den Blick zu nehmen, wie Beate Gilles, die Familiendezernentin der Diözese, sagt. Sie denke zum Beispiel daran, Paare einzubinden, die schon lange verheiratet seien: „Vorbilder sind wichtig.“ Außerdem halte sie es für wichtig, dass Formen gefunden würden, die Menschen helfen könnten, mit dem Scheitern einer Ehe umzugehen. Das sei in den vergangenen Jahren ausgeblendet worden. Dabei sei gerade das eine große Sehnsucht gläubiger Katholiken, deren Ehe nicht gehalten habe.

Der Mainzer Bischof Lehmann tritt unter anderem für „mehr niederschwellige, vielstufige Angebote für Menschen in Konfliktsituationen“ ein, für mehr „Wegbegleitung“ von Eheleuten und mehr Rücksicht auf soziale und arbeitsrechtliche Bedingungen für junge Leute, die eine Familie gründen wollen. Grundlegend plädiert er für eine menschenfreundliche Ethik, hinter die eine vorherrschende „Verbotsethik“ zurücktreten müsse.

Auch Dorothee Glückler, die Leiterin der Ehe- und Sexualberatung im Haus der Volksarbeit, einer katholischen Beratungs- und Erziehungsinstitution in Frankfurt, hält einen verständnisvollen Umgang der Kirche mit Paaren in Krisen für wichtig. Nur so könne es gelingen, dass Menschen das, was nicht gelungen sei, wahrnähmen und verarbeiteten. Etwa 1000 Frauen und Männer suchen die Beratungsstelle jährlich auf, 35 Prozent von ihnen sind katholisch. Die Stelle organisiert seit 2011 auch die Frankfurter Paartage, die auf große Resonanz stoßen.

Wiederverheiratete Geschiedene

Familiendezernentin Gilles zeigt sich sicher, dass der Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen als dringliches Thema in der Bischofskonferenz angekommen sei. Katholiken, die zum zweiten Mal heiraten, ohne dass deren erste Ehe für nichtig erklärt wurde, sind vom Empfang der Sakramente ausgeschlossen, sie dürfen zum Beispiel nicht zur Kommunion gehen. Das wird von den Gläubigen als diskriminierend empfunden, wie die Umfrage zeigt. Gilles sagt, beim Umgang mit homosexuellen Paaren ringe die Kirche mit sich. Sie rechne aber damit, dass sich in den nächsten zehn Jahren „etwas entwickeln“ werde, etwa dadurch, dass Homosexuelle in der Kirche „sichtbarer“ würden.

Wie die überregionale Auswertung der Umfrage durch die Bischofskonferenz belegt, gibt es unter den Katholiken eine „deutliche Tendenz, die rechtliche Anerkennung von gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften und deren Gleichbehandlung gegenüber der Ehe als ein Gebot der Gerechtigkeit zu betrachten“. Nicht wenige hielten es für sinnvoll und positiv, auch jenen Paaren einen Segensritus anzubieten. Den gibt es bisher offiziell nicht, anders etwa als in der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau.

Die Umfrage ist nicht repräsentativ, gibt Gilles zufolge gleichwohl „die Stimme des Volkes“ wieder. In Limburg hatten sich an der Befragung rund 230 Gläubige beteiligt, in der Diözese Mainz zirka 900 und im Bistum Fulda etwa 150.