Europäische Union

Naschen an den Brüsseler Honigtöpfen

• Bookmarks: 26


Der Stadt Frankfurt gelingt mit S-Bahn-Projekt im neuen Gewerbestadtteil Gateway Gardens ein Coup. Das Europabüro der Rhein-Main-Region hat seine Arbeit erfolgreich aufgenommen.

Vom unverhofften Geldregen aus Brüssel träumen viele. Im Jahr der Europawahl noch mehr als sonst. Für Frankfurt wird der Wunsch jetzt Wirklichkeit: Die EU übernimmt mit 1,7 Millionen Euro die Hälfte der städtischen Planungskosten für die S-Bahn-Trasse zum neuen Büro-Stadtteil Gateway Gardens am Flughafen. Damit fördert die EU zum ersten Mal ein Verkehrsprojekt im Rhein-Main-Gebiet. „Wir haben unsere Möglichkeiten als Stadt genutzt“, jubelt das Frankfurter Verkehrsdezernat. „Das ist etwas Besonderes“, bestätigt das Europabüro der Region, und auch das hessische Wirtschaftsministerium spricht von einem Novum.

Angesichts der Kosten in Höhe von rund 215 Millionen Euro für den Bau der Trasse mag der Beitrag gering erscheinen. Im Frankfurter Römer schließt man jedoch nicht mehr aus, denselben „Honigtopf“ auch dafür anzapfen zu können. Der Stadt war die Geld-Akquise durch das Netzwerk Eurocities gelungen, einen informellen Zusammenschluss von mehr als 130 europäischen Großstädten, der 1986 von sechs Städten, darunter Frankfurt, gegründet worden war. Das Städtenetzwerk hat die Europäische Kommission dazu gebracht, einen Fonds, der das „Transeuropäische Verkehrsnetzwerk“ fördern will, im Jahr 2012 um städtische Projekte zu erweitern. Vor allem haben die Kommunen bei der Europäischen Kommission erreicht, dass die Mittel direkt an sie vergeben werden und nicht wie sonst üblich über Bund und Länder.

Für Rhein-Main essentiell

Die EU-Geldtöpfe immer vor Augen, hat die Stadt Frankfurt, gemeinsam mit dem Regionalverband und zunächst zusammen mit dem regionalen Standortmarketing, im Oktober 2011 ein eigenständiges Europabüro mit Repräsentanz in Brüssel gegründet. Frühere Landesregierungen hatten bis dahin vergleichbare Initiativen unterbunden. Schließlich unterhält das Land mit 27 Mitarbeitern eine der personalstärksten Bundesländer-Vertretungen. Doch selbst in Wiesbaden heißt es mittlerweile, es sei für Rhein-Main essentiell, in Brüssel die eigenen Interessen zu formulieren, so wie es die Regionen Stuttgart, Hamburg und Berlin-Brandenburg seit Jahren tun.

Susanna Caliendo, Leiterin des Europabüros der Region, die mit zwei Mitarbeitern in Frankfurt und zwei weiteren in Brüssel arbeitet, sieht den Frankfurter Erfolg als beispielhaft dafür, was gute Lobby-Arbeit erreichen kann. In Brüssel sei längst akzeptiert, dass sich Städte und Regionen zu Wort meldeten. Insbesondere dem wirtschaftsstarken Raum Frankfurt/Rhein-Main werde dies zugebilligt. Während sich die Region intern mit der Selbstfindung immer noch schwertut, macht Caliendo die Erfahrung: „In Brüssel stellt diese Region keiner in Frage.“

Kosten von 400.000 Euro im Jahr

In Cent und Euro kann sie nicht beziffern, was ihr Büro bisher gebracht hat. Es kostet in diesem Jahr rund 400.000 Euro, zum größten Teil getragen von der Stadt Frankfurt und dem Regionalverband. Die Wirtschaft beteiligt sich mit 90.000 Euro, finanziert vom Standortmarketingverein und der Frankfurter Industrie- und Handelskammer. „Das ist gut angelegtes Geld“, sagt Caliendos Kollegin aus der Region Stuttgart, die schon seit 2002 in Brüssel aktiv ist. Sylvia Schreiber kann längst eine Erfolgsbilanz ziehen: Sie hat binnen drei Jahren 18 Millionen Euro für Projekte im Schwäbischen eingeworben.

Keine Woche vergehe, ohne dass in ihrem Büro eine Gruppe „Europäer“ zusammensitze, um gemeinsam einen Förderantrag vorzubereiten, sagt Schreiber. Für Geld aus dem Interreg-Programm, der interkommunalen Zusammenarbeit von Regionen, seien persönliche Kontakte unerlässlich.

Neue zentrale Anlaufstelle für Fachkräfte

„Wir fangen auch nicht bei null an“, sagt Caliendo. Zuletzt war die Region an fünf europäischen Projekten beteiligt, die sich etwa mit dem Klimaschutz beschäftigten, dem Leben in von Flughäfen geprägten Ballungsräumen oder dem Ausbau der zentralen europäischen Eisenbahntrasse von Rotterdam nach Genua. Ginge es nach Caliendo, würde auch die vom Regionalverband beschlossene neue zentrale Anlaufstelle für Fachkräfte zumindest wie üblich zur Hälfte von Europa finanziert.

Um an die ganz großen Fördertöpfe der EU heranzukommen – den Europäischen Sozialfonds und den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung -, versuchen die Regionen in Brüssel Einfluss auf die inhaltliche Festlegung zu nehmen. Die Gelder selbst werden von den Bundesländern verwaltet und weiter verteilt.

Nach Südhessen soll mehr Geld fließen

Im Fall des Regionalentwicklungsfonds hat nach Angaben Caliendos der Initiativkreis der deutschen Metropolregionen dafür gesorgt, dass Europa die Folgen des demographischen Wandels in Deutschland richtig sieht: nicht nur als Nachteil für den ländlichen, strukturschwachen Raum, sondern auch als Herausforderung für die Großstädte, die wachsen wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Im hessischen Fall floss das Geld des Fonds, immerhin 263 Millionen Euro in den vergangenen sechs Jahren, zum größten Teil nach Nord- und Mittelhessen sowie in den Odenwald. Das soll sich für die neue Förderperiode von 2014 bis 2020 ändern. Caliendo hofft, dass Südhessen künftig 40 statt nur 20 Prozent erhält. Denn neuerdings soll zum Beispiel die Energieeffizienz gefördert werden, an diesem Punkt könne die Region gut ansetzen.

Eines hat Caliendo schon erreicht: Sie ist seit Juni 2013 Mitglied in dem Ausschuss in Wiesbaden, der die Vergabekriterien für die hessischen Fondsmittel festlegt. Damit hat sie zumindest einen Fuß in der Tür.